Mit einer KI über Gefühle sprechen?

Mentale Krankheiten: Chatbots versus Psychotherapeuten

Um in schwierigen Zeiten nicht mit den eigenen Problemen allein sein zu müssen, sollen innovative Chatbots psychotherapeutische Unterstützung bieten. Denn statt der dringend benötigten Hilfe finden viele psychisch Erkrankte auf der Suche nach einem Therapieplatz nur Wartelisten vor.

Doch können speziell entwickelte Programme eine traditionelle Psychotherapie ersetzen?

„Bei vielen frei zugänglichen Dialogsystemen treffen Nutzer auf Entscheidungsbäume mit vorformulierten Texten und Übungen, statt ein individuelles Gespräch zu führen. Allerdings ermöglichen KI-gestützte Anwendungen wie bei ChatGPT komplexe, natürlich wirkende Unterhaltungen, sodass digitale Therapeuten zunehmend an Bedeutung gewinnen könnten“, weiß Dr. med. Steffen Häfner, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie und ärztlicher Direktor der Klinik am schönen Moos, und verrät, welche Vor- und Nachteile mit den Therapie-Bots einhergehen.

Therapeut im Taschenformat

Ob mit dem Handy oder dem Computer – Chatbots sind rund um die Uhr verfügbar und reduzieren durch ihre Anonymität für einige Menschen die Hemmschwelle, über ihren Kummer zu sprechen.

„Jede Person hat durch die Technologie die Chance, diskret Sorgen, Ängste, intime Gedanken und Gefühle schriftlich auszudrücken und daraufhin eine vorurteilsfreie Reaktion zu bekommen. Neben der emotionalen Unterstützung bieten technische Dialogsysteme auch durch spezifische Übungen Ressourcen zur Selbsthilfe“, erklärt Dr. Häfner und ergänzt: „Doch die entwickelten Programme haben ihre Grenzen. Schließlich analysieren sie Daten, statt den Nutzer wirklich zu verstehen und empathisch auf komplexe Gefühle einzugehen. So können vorinstallierte Antworten wie ‚Lass dich nicht von kleinen Sorgen unterkriegen’ schnell ermüden und sind bei der Bewältigung emotional belastender Probleme kaum hilfreich.“

Vom Algorithmus zum Mitgefühl

Moderne Chatbots verwenden fortschrittliche Algorithmen, um Textanalysen durchzuführen und daraufhin personalisierte Antworten zu geben. Im Bereich der Psychotherapie könnten KI-gestützte Bots die Kommunikation zukünftig deutlich optimieren. Mit ihnen sollen sich durch menschlich wirkende Dialoge Entspannungsübungen durchführen, neue Denkmuster erlernen und beispielsweise depressive Symptome lindern lassen. Doch je freier die KI, desto unprofessioneller sind womöglich die therapeutischen Ratschläge.

„Kommt es dabei zu unqualifizierten Aussagen, können diese bei psychisch kranken Personen fatale Auswirkungen haben. Damit Programme auf Psychotherapie spezialisiert sind und ihre Antworten denen der Experten entsprechen, muss die KI mit einer großen Menge erfolgreicher Therapiegespräche trainiert werden. Zugleich muss der Schutz sensibler Daten sichergestellt sein“, so Dr. Häfner.

Empathisch, praktisch, gut?

Bei leichten emotionalen Beschwerden scheint die Technologie eine gute Möglichkeit zu sein, das eigene Wohlbefinden zu verbessern. Einige Nutzer ermutigt sie eventuell, sich einen Therapieplatz zu suchen. Anderen Personen hilft sie wiederum, die Wartezeit auf einen Therapieplatz effizient zu überbrücken.

„Der Einsatz von Chatbots in der Psychotherapie ist grundsätzlich nützlich, sofern sie mit speziellen Kenntnissen der Fachärzte programmiert werden. Wer geprüfte digitale Gesundheitsanwendungen nutzen möchte, findet beispielsweise eine Auswahl über das DiGA-Verzeichnis[1] des BfArM. Doch in einer Krisensituation können textbasierte Dialogsysteme, egal ob KI-gestützt oder nicht, menschliche Interaktion oder emotionale Unterstützung nicht in vollem Umfang ersetzen“, weiß Dr. Häfner und betont: „Therapie-Chatbots sind als wertvolle Ergänzung in der Gesundheitsversorgung, aber nicht als vollständiger Ersatz der traditionellen Psychotherapie zu verstehen.“

Weitere Informationen unter www.klinik-a-s-moos.de