“Mach doch einfach Sport”

Das doppelte Leid der Lipödem-Erkrankten

  • „Das geht mit etwas Disziplin, Sport und einer Diät wieder weg.

  • Du musst dich einfach etwas mehr anstrengen“,

Sätze dieser Art hat wohl fast jede Lipödem-Betroffene schon einmal  gehört.

Die Erkrankung wird nicht ernst genommen und von vielen als bloßes Übergewicht abgestempelt, das mit der Eigenverantwortung der Erkrankten unter Kontrolle gebracht werden könne.

Auch im Netz wissen Hobby-Mediziner es besser. Ein Lipödem wäre einfach eine Ausrede für Menschen, die sich schlecht ernähren und keinen Sport mögen.

Einige wägen in der Erkrankung gar einen Social-Media-Trend, den man nicht zu ernst nehmen sollte.

Früher hätten Frauen sowas schließlich auch nicht gehabt. Eine “Modeerscheinung für hysterische Übergewichtige” also. Die Theorien sind dabei so krude, unsachlich und uninformiert wie verletzend für die betroffenen Frauen, die unter einer ernst zu nehmenden Erkrankung leiden.  

Die Auswirkungen zeigen sich nicht nur im Selbstwertgefühl der Betroffenen, sondern sind durchaus auch aus medizinischer Sicht relevant.

Die Stigmatisierung findet mitnichten nur im Bekanntenkreis oder im Netz statt, sondern ist auch in vielen deutschen Arztpraxen gelebte Realität.

Viele Lipödem-Patientinnen berichten, dass ihr Lipödem selbst von geschulten Medizinern jahrelang unerkannt blieb oder als Adipositas fehldiagnostiziert wurde.

Für viele folgten daraufhin jahrelange Diäten und zahlreiche Stunden im Fitnessstudio.

Der Umfang an den Extremitäten, der Schmerz und die Scham blieben.

Die richtige Diagnose erhielten sie Jahre später – oder nie. Fachleute gehen von einer hohen Dunkelziffer an Betroffenen aus, da viele Mediziner wenig geschult in der Thematik sind. Die richtige Diagnose und ein rascher Therapiebeginn erweisen sich allerdings als unerlässlich, um den betroffenen Frauen möglichst viel psychisches und physisches Leid zu ersparen.

Doch die Stigmatisierung in der Gesellschaft führt nur dazu, dass das Leiden nur noch größer wird. Laut Studien, auf die sich die offizielle Leitlinie der deutschen Lipödemfachgesellschaften bezieht, entwickeln viele betroffene Frauen auch psychische Erkrankungen.
 
Dr. David Christel, Experte für lymphologische Erkrankungen und ärztlicher Leiter der CG LYMPHA aus Köln, hört von diesen Folgeerscheinungen jeden Tag: “Die psychischen Belastungen der Frauen, die wir behandeln sind immens. Den Betroffenen wird gesellschaftlich die Schuld gegeben für eine Erkrankung, für die sie nichts können. Die Erkrankten internalisieren diese Vorwürfe. Häufig führt das dann zu psychischen Leiden. Depressionen und Essstörungen sind leider keine Seltenheit”.

Der Umgang mit einer Erkrankung, die einen signifikanten Anteil der weiblichen Gesellschaft betrifft, führt zu weiteren seelischen Belastungen von Betroffenen, die Hilfe bei ihrem Lipödem benötigen. Höchste Zeit für mehr Aufklärung und ein Umdenken, damit man Ihnen gerecht werden kann. 

Weitere Informationen unter www.cg-lympha.de