Tatort Arbeitsplatz

Mobbing, Bossing oder Straining: Gefahren und Hilfen für Erwachsene

Machtmissbrauch, Diskriminierung, Ausgrenzung – Mobbing hat viele Gesichter. Laut Statistik[1] erleben mehr als 30 Prozent der Erwachsenen in Deutschland Mobbing im beruflichen Umfeld.

Während bei Kindern und Jugendlichen das sogenannte Cyberbullying – also das bewusste Schikanieren mithilfe von Kommunikationsmedien – um sich greift, ist für viele Erwachsene ihr Arbeitsplatz ein Ort ständiger Demütigungen

„Mit gravierenden Folgen“, warnt Prof. Dr. med. Petra Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und ärztliche Leitung der Akutklinik Bad Saulgau, und betont: „Nicht selten kämpfen Mobbing-Opfer mit Suizidgedanken.“

Doch wann fängt Mobbing, Bossing oder Straining an und welche Hilfen bieten sich für Betroffene?

Konkurrenz und Leistungsdruck

Mobbing ist ein ernst zu nehmendes Phänomen und besteht aus einem Täter, deren Opfer, Mitläufern sowie Zu- und Wegschauenden. Geht das Mobbing allerdings von Vorgesetzten aus, was etwa 13 Prozent[2] der Beschäftigten in Deutschland betrifft, sprechen Experten vom sogenannten Bossing.

Anders als beim Mobbing, stehen Vorgesetzte hierarchisch über ihren Mitarbeitenden, was es diesen schwerer macht, sich zu wehren.

„Ein erstes Bossing-Anzeichen ist abusive Supervision, also ein feindseliges Führungsverhalten. Dabei wird eine Person gezielt verbal und nonverbal attackiert. Sie erhält in der Regel Aufgaben, die sie nicht bewältigen kann oder die sinnfrei sind. Persönliche Beleidigungen, Bloßstellungen, permanente Kritik trotz guter Leistung oder Kündigungsdrohungen gehören zu den weiteren Merkmalen“, erklärt Prof. Beschoner und fügt an: „Besonders produktive Mitarbeitende werden häufig zu Bossing-Opfern, da ihre Leistungen als Bedrohung für die eigene Position wahrgenommen werden. Aus diesem Grund ist Bossing in Unternehmen mit starkem Wettbewerb, hohem Leistungsdruck und strengen Hierarchien weit verbreitet.“

Schließen sich Mitarbeitende allerdings gegen einen Vorgesetzten zusammen, spricht man von Staffing.

Aufgezwungene Langeweile

Eine weitere perfide Methode, um unliebsame Personen zur Kündigung zu drängen, wird unter dem Begriff „Straining“ (englisch „to strain“ für „belasten“ oder „strapazieren“) zusammengefasst. „Dabei werden den Mitarbeitenden zunehmend Arbeitsaufgaben und Verantwortung entzogen.

Allerdings geschieht der Prozess schleichend und subtiler als die ‚klassischen‘ Mobbinghandlungen, die meist aus einer aktiven Konfrontation mit persönlichen Angriffen bestehen“, so die Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau.

In einer Umfrage[3] gaben 63 Prozent der Befragten an, dass ihnen bewusst Informationen vorenthalten wurden.

„Das ist typisch, denn Straining-Opfer werden schlichtweg übersehen und gezielt von Entscheidungen ausgeschlossen“, weiß die Fachärztin. Durch die künstlich erzeugte Untätigkeit entstehen enormer Stress und Rechtfertigungsdruck: Welche Daseinsberechtigung hat jemand, der nur „herumsitzt“?

Straining-Opfer leiden somit früher oder später unter den psychischen und physischen Konsequenzen, was zu häufigen oder dauerhaften Krankschreibungen führt.

Gestärkt aus der Krise

Führen Gespräche mit den mobbenden Kollegen oder Vorgesetzten nicht zum gewünschten Ergebnis, finden Opfer eine erste Anlaufstelle beim Personal- oder Betriebsrat. Gibt es dieses Organ nicht, liegt der Gedanke nahe, eine interne Versetzung anzustreben oder als letzten Schritt die Kündigung auszusprechen.

Neben der Rechtsberatung sollte in jedem Fall auch über eine Therapie nachgedacht werden, denn jede Art von psychischer Gewalt beeinflusst – auch noch viele Jahre später – sowohl das seelische als auch das körperliche Wohlbefinden.

Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit Mobbingerfahrungen starke psychosomatische Symptome wie Schlafstörungen, Erschöpfung, Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen.

Angstzustände quälen die Opfer zusätzlich.

Nicht selten kommt es zu Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit und im weiteren Verlauf zu einem Burnout und Suizidgedanken“, erklärt die Klinikleiterin.

Um aus der belastenden Situation herauszukommen, ist Mut erforderlich. Sowohl die Familie als auch Beratungsstellen oder Telefonhotlines können erste Anlaufstellen sein.

Spezielle Kurse, in denen das Selbstwertgefühl sukzessive aufgebaut wird, stärken die Betroffenen ebenfalls. „Spätestens wenn Mobbing zu psychischen und körperlichen Beschwerden führt, sollten sich Betroffene an den Hausarzt oder die Hausärztin wenden.

Je nach Belastungszustand des Patienten, wird dieser an einen ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten, einen Facharzt für Psychiatrie oder einen Facharzt für Psychosomatische Medizin überwiesen“, sagt Prof. Beschoner und führt an: „Im weiteren Verlauf kann eine ambulante, teilstationäre oder auch stationäre Behandlung sinnvoll sein, um den Alltag wieder in den Griff zu bekommen und selbstbewusst in einen neuen Job zu starten.“

Weitere Informationen unter www.akutklinik-badsaulgau.de

Quellen
1 https://de.statista.com/themen/132/mobbing/   
2 https://link.springer.com/journal/420
3 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1834/umfrage/persoenlich-erlebtes-mobbing/