Schutz vor Rückfällen bei Schizophrenie
Das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim und das Universitätsklinikum Heidelberg starten eine umfassende Studie zur Erhaltungs-Elektrokonvulsionstherapie (EKT).
Ziel ist es, die Wirksamkeit der EKT-Behandlung bei Schizophrenie-PatientInnen zu untersuchen, die auf Antipsychotika nicht ansprechen. Durch diese Therapie sollen Rückfälle verhindert und die Lebensqualität der PatientInnen entscheidend verbessert werden. Die Studie wird mit rund zwei Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und wird unterstützt durch das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit.
Schizophrenie ist eine schwerwiegende psychische Erkrankung, von der etwa ein Prozent der Bevölkerung betroffen ist.
Obwohl Antipsychotika vielen Patientinnen und Patienten helfen, sprechen rund 15 bis 30 Prozent nicht auf diese Medikamente an – auch nicht auf Clozapin, ein Antipsychotikum, das als beste Behandlungsoption gilt. Die Betroffenen leiden an sogenannter Clozapin-resistenter Schizophrenie (CRS) und erleben teils schwere Beeinträchtigungen, unter anderem eingeschränktes Denk- und Sprachvermögen, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen.
Für diese besonders schwer zu behandelnde Patientengruppe gibt es bisher keine ausreichenden evidenzbasierten Therapiealternativen
Erhaltungs-EKT wissenschaftlich untersuchen
Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT), die in der Vergangenheit zur Behandlung von Schizophrenie eingesetzt wurde, wird heute trotz ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit selten angewendet. Bei der EKT wird mit Hilfe eines wenige Sekunden andauernden Stromimpulses eine kurzzeitige neuronale Übererregung im Gehirn ausgelöst. Die Behandelten merken davon nichts, da die Behandlung unter Kurznarkose durchgeführt wird.
Durch die EKT werden im Gehirn verschiedene Botenstoffe freigesetzt und in bestimmten Gehirnbereichen das Wachstum von Nervenzellen angeregt.
Insbesondere die Erhaltungs-EKT (mECT; englisch: Maintenance Electroconvulsive Therapy), die Rückfälle nach einer erfolgreichen initialen EKT bei Schizophrenie verhindern soll, wurde bisher kaum wissenschaftlich untersucht. Daher startet das Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim zusammen mit der Klinik für Allgemeine Psychiatrie Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD) eine große Studie zur Erhaltungs-Elektrokonvulsionstherapie, die in 14 psychiatrischen Kliniken in Deutschland durchgeführt wird.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert die Studie mit rund zwei Millionen Euro. Untersucht wird die Wirksamkeit von Erhaltungs-EKT bei PatientInnen, die nach einer ersten erfolgreichen EKT-Serie weiter mit Clozapin behandelt werden. Ziel ist es, zu überprüfen, ob ein Erhaltungs-EKT die Zeit bis zu einem Rückfall verlängert und die Anzahl der rückfallfreien PatientInnen erhöht.
Weitreichende Folgen für klinische Praxis
Neben dem primären Ziel, die Rückfallrate zu senken, werden durch Befragungen der Betroffenen und ihres Umfelds auch weitere Aspekte wie die Lebensqualität, Selbstständigkeit und die Symptomatik der Schizophrenie untersucht. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, dass die kognitive Leistungsfähigkeit der Patientinnen und Patienten durch die Erhaltungs-EKT nicht beeinträchtigt wird.
„Sollte die Studie unsere Hypothese bestätigen, dass Erhaltungs-EKTs die Behandlungsergebnisse bei Clozapin-resistenter Schizophrenie signifikant verbessern, könnte dies weitreichende Folgen für die klinische Praxis haben. Die Ergebnisse könnten eine Änderung der internationalen Behandlungsleitlinien anstoßen und eine breitere Anwendung der EKT bei Schizophrenie fördern. Dies wäre ein großer Fortschritt für Patientinnen und Patienten, die bisher nur unzureichend behandelt werden konnten“, sagt Prof. Dr. Alexander Sartorius, Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am ZI.
„Die begleitenden Befragungen der Betroffenen und ihrer Angehörigen helfen uns zudem, Erwartungen, Hoffnungen, aber auch mögliche Vorbehalte gegenüber der EKT besser zu verstehen. Damit gewinnen wir wichtige Erkenntnisse, die auch bei der dringend notwendigen Entstigmatisierung dieser schweren seelischen Erkrankung helfen können“, sagt Robert Christian Wolf, Stellvertretender Ärztlicher Direktor der Klinik für Allgemeine Psychiatrie am UKHD und Professor an der Medizinischen Fakultät Heidelberg.
Patientenbeteiligung und Unterstützung
Das Deutsche Zentrum für Psychische Gesundheit (DZPG) unterstützt die Studie aktiv und fördert die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen beteiligten Institutionen und ExpertInnen.
Ein zentrales Element der Studie ist die enge Zusammenarbeit mit PatientInnen sowie deren Vertretungen.
Ein Patientenbeirat und ein Betroffenenbeirat wurden eingerichtet, um sicherzustellen, dass die Bedürfnisse und Perspektiven der Betroffenen während der gesamten Studiendauer berücksichtigt werden. Diese Beiräte unterstützen unter anderem bei der Rekrutierung der StudienteilnehmerInnen und bieten Beratung bei der Durchführung der Studie. Beide Beiräte haben ihre Unterstützung auch für die Zeit nach Abschluss der Studie zugesagt, um die gewonnenen Erkenntnisse in die Praxis zu übertragen und die Patientenversorgung nachhaltig zu verbessern.
Quelle:
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit - Mitteilung vom 8. Juli 2024