Wie Kindheitserfahrungen unsere Beziehungen sabotieren
Typische Muster erkennen und durchbrechen
Zwischenmenschliche Beziehungen basieren auf Kommunikation, die in ihrer Intensität sowie Art und Weise stark variieren.
Doch warum sorgt das verständigende Bindeglied für so viel Verwirrung, stiftet Streit und führt zu Eifersucht?
„Der Grundstein von intakten Beziehungen wird in der Kindheit gelegt“, weiß Prof. Dr. med. Petra Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und ärztliche Leitung der Akutklinik Bad Saulgau, und betont: „Fehlende Sicherheit in jungen Jahren sorgt für unterschiedliche Streitmuster in der Partnerschaft.“ Die gute Nachricht: Erlernte Muster sind veränderbar.
Wie? Das verrät Prof. Beschoner anhand von drei Beispielen.
Beispiel 1: Ohnmächtig im Streit
Auch Paare, die eine gute kommunikative Basis pflegen, geraten aneinander. In solchen Streitsituationen kann es passieren, dass der eine die verbalen Attacken des anderen einfach über sich ergehen lässt und sich zurückzieht.
Aber warum fühlen sich Betroffene in diesen Momenten klein und machtlos?
„Jemand, der sich zurückzieht, hat in der Kindheit oft erlebt, dass er nicht gut oder liebenswert ist. In der Psychologie sprechen wir von unsicher gebundenen Personen. Ihre wichtigen Bezugspersonen – meistens die Eltern – haben sich nicht zuverlässig um die Bedürfnisse des Kindes gekümmert und ihnen grundlegende Beziehungselemente wie Liebe, Anerkennung und Unterstützung verwehrt.
So etablieren Kinder, die in ihren emotionalen Bedürfnissen nicht wahrgenommen wurden, als Erwachsene unbewusst ein unsicheres Bindungsmuster und erleben bestimmte Situationen als Reinszenierung damaliger, prägender Momente“, erklärt Prof. Beschoner.
Aus diesen Gründen halten die betreffenden Personen oftmals auch an ungesunden Beziehungen fest und geben sich – zum Beispiel berufsbedingt – mit weniger zufrieden als verdient.
Rat der Expertin: „Hier hilft Selbstreflexion, zum Beispiel in einem Coaching mit anschließendem Erlernen von Tools, die es einem ermöglichen, seine Kommunikation zu verbessern und seine Durchsetzungskraft zu stärken.“
Beispiel 2: Grenzen setzen
Jede gesunde Beziehung erfordert gegenseitigen Respekt und klare Grenzen.
Doch warum sagt jemand zu allem Ja und Amen?
„Am besten lässt sich das anhand eines Beispiels erklären“, weiß Prof. Beschoner und führt an: „Anna hat in ihrer Kindheit nur Liebe und Zuwendung erfahren, wenn sie ein ‚braves Kind‘ war und das gemacht hat, was man von ihr verlangte.
War das nicht der Fall, wurde sie vielleicht sogar übermäßig bestraft.
Oder sie hat erlebt, dass ein Elternteil in Not war, und musste ihre eigenen Bedürfnisse hintenanstellen.
Sie hat gelernt, dass Liebe immer an Bedingungen gekoppelt ist. Um anderen zu gefallen, stellt sie auch heute ihre eigenen Bedürfnisse zurück und sagt fast nie Nein.“
Ähnliche Verhaltensweisen zeigen Menschen ebenfalls bei der Arbeit, indem sie nahezu alle Aufgaben übernehmen und sich damit irgendwann überfordert fühlen.
Rat der Expertin: „Betroffene sollten zunächst herausfinden, wo ihre Grenzen liegen. Am besten schreiben sie sich auf, wann sie zum letzten Mal Ja gesagt haben, aber eigentlich ‚Nein‘ meinten. Anschließend sollten sie sich fragen, was das Schlimmste gewesen wäre, wenn sie Nein gesagt hätten. Diese Antworten gerne stetig in einem Tagebuch aktualisieren. So finden Betroffene heraus, was ihnen Angst macht, und können daran arbeiten.“
Beispiel 3: Übermäßige Eifersucht
In einer Partnerschaft tauchen die Gefühle von Unsicherheit und Besorgnis vor allen bei Personen auf, die in ihrer Kindheit mangelnde Elternliebe empfangen haben.
„Sie haben gelernt, nicht liebenswert zu sein, nicht gut genug zu sein. Deshalb zweifeln sie im Erwachsenenalter an ihrem eigenen Wert, ihrer Attraktivität und ihrem Potenzial“, weiß Prof. Beschoner und betont: „Aus diesem geringen Selbstwertgefühl entsteht bei Betroffenen oftmals die Angst, den Partner zu verlieren, was zu einem intensiven Eifersuchtsgefühl führt. Das tritt zum Beispiel bei Scheidungskindern auf oder wenn ein jüngeres Geschwisterkind geboren wurde.“
Bindungen werden von den Betroffenen als etwas Unzuverlässiges erlebt, was eine fatale Auswirkung auf die Partnerschaft hat. Wer stark eifersüchtig ist, gefährdet durch sein kontrollsüchtiges Verhalten jede Beziehung.
Rat der Expertin: „Zunächst sollten Betroffene in sich hineinhören und der Ursache auf den Grund gehen. Ein wichtiger Schlüssel, das eigene Selbstwertgefühl zu steigern, heißt Selbstliebe. Wer es schafft, sich selbst zu lieben, ist nicht mehr abhängig von der Liebe seines Gegenübers. Auch die Bestätigung in einem Hobby kann das Selbstwertgefühl steigern.“
Abschließend betont die Fachärztin: „Wer einen reflektierten Blick auf seine Kindheit wirft, schafft es vielleicht, sich von Erwartungen zu lösen und seine alten Muster zu verändern. Professionelle Unterstützung hilft zusätzlich erfolgreich aus erlernten Rollen auszusteigen und eine gesunde Beziehung aufzubauen.“
Weitere Informationen unter www.akutklinik-badsaulgau.de