CED bei Menschen im Alter von 60+
Diagnosefindung bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankung dauert bei älteren Betroffenen länger
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) wie die Colitis ulcerosa und der Morbus Crohn gelten in der Regel als Erkrankung Jugendlicher oder junger Erwachsener.
Dabei erhalten 10 bis 15 Prozent der Patient*innen ihre Diagnose erst ab einem Alter von 60 Jahren.
Dann sind Besonderheiten bei der Diagnostik wie auch der Therapie zu beachten. Diese sollten zunehmend auch in die Leitlinienbearbeitung einfließen, darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten e.V. (DGVS) im Vorfeld des Welt-CED-Tags hin.
Anhaltender Durchfall, Bauchschmerzen und Bauchkrämpfe sind einige der Symptome, die auf eine chronisch entzündliche Darmerkrankung hinweisen können.
„Da Morbus Crohn und Colitis ulcerosa vorwiegend mit Betroffenen bis zu einem Alter von 30 Jahren assoziiert sind, verzögert sich die Diagnose bei älteren Menschen über 60 um bis zu vier Jahre“, sagt PD Dr. med. Birgit Terjung, Ärztliche Direktorin der GFO Kliniken Bonn und Mediensprecherin der DGVS.
Wenn ältere Menschen über gastrointestinale Symptome klagen, sollte man daher auch an eine CED denken, so die Expertin.
„Die bereits vorliegenden Erkenntnisse sollten schnellstmöglich auch umfänglich in die Leitlinienbearbeitung einfließen“, so Terjung. Nur so könnten auch ältere Menschen zeitnah zum Erkrankungsbeginn von den vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten profitieren.
So unterscheiden sich ältere von jüngeren Patient*innen
“Erschwerend für eine zeitnahe Diagnose ist, dass die CED bei älteren Patient*innen oft etwas anders verläuft als bei jungen Menschen“, sagt Professor Dr. med. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV (Gastroenterologie, Hepatologie, Infektiologie, Zentrale Endoskopie) am Universitätsklinikum Jena.
So zeige sich bei der Colitis ulcerosa häufiger ein distaler Befall, und die Erkrankung nehme meist einen schleichenden Beginn.
„Beim Morbus Crohn ist auffällig, dass die Erkrankung im Alter anders als bei jungen Erwachsenen kaum Bauchschmerzen verursacht, was die Diagnosestellung ebenfalls erschweren kann,“ so Stallmach.
Zudem gibt es Beobachtungen, dass der Morbus Crohn sich bei älteren Patienten häufig auf das Kolon, also den Hauptteil des Dickdarms, beschränkt.
Generell sei die Differentialdiagnose bei Älteren umfassender: So müssten zusätzlich zum Reizdarmsyndrom und Infekten auch medikamentöse Ursachen für die Beschwerden angenommen werden, ebenso eine Divertikulitis, Durchblutungsstörungen oder Tumorerkrankungen.
CED: Rasant zunehmende Therapieoptionen
Auch in Sachen Therapie müssen bei älteren Patient*innen abweichende Ausgangslagen angenommen werden.
„Etwa treten vermehrt Multimorbidität und Polypharmazie auf, dadurch steigt das Risiko für eine Medikamentennebenwirkung deutlich an. Oft sind betagte Patienten auch mangelernährt und zeigen geriatrische Syndrome,“ sagt Dr. med. Elena Sonnenberg, Oberärztin an der Klinik für Gastroenterologie der Charité am Campus Benjamin Franklin.
Dennoch: „Aktuell können die Leitlinien mit der Entwicklung der Therapieoptionen für CED kaum schritthalten. Davon profitieren auch ältere Menschen mit ihren Teils schwereren Krankheitsverläufen enorm,“ so die Expertin.
Eine Erweiterung des Behandlungsspektrums sei jedoch dringend erwünscht, denn nicht alle Betroffenen sprechen gleich gut und dauerhaft auf die verfügbaren Medikamente an. Jeder neue Wirkstoff biete daher eine neue Chance, den Darm zu retten – und damit die operative Entfernung des schwer entzündeten Organs zu vermeiden.
„Um in einer alternden Gesellschaft auch eine optimale Behandlung für Menschen mit CED im Alter von 60+ zu gewährleisten, ist es dringend notwendig, deren individuelle Krankheitsparameter und Therapieoptionen in Leitlinien umfassender abzubilden,“ so Terjung abschließend.
Dafür sei es auch notwendig, diagnostische und therapeutische Spezifika in Studien verstärkt zu erfassen.
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie über 7000 in Klinik und Forschung tätige Ärztinnen und Ärzte unter einem Dach.
Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs. Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.
Quellen:
Was bei älteren CED-Patienten anders ist | MMW - Fortschritte der Medizin (springer.com)
Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Rasant zunehmende Therapieoptionen (aerzteblatt.de)