Was tun, wenn nichts mehr geht?
7 Fragen an Burn-out-Expertin
Andauernde Überforderung, totale Erschöpfung und innere Leere – typische Symptome eines Burn-outs.
Doch worauf sollten sowohl Betroffene als auch Angehörige noch achten, um das „Ausgebranntsein“ zu identifizieren?
Gibt es sogar Vorboten und wo finden Betroffene Hilfe?
Diese und weitere wichtige Fragen rund um die psychosomatische Erkrankung beantwortet Prof. Dr. med. Petra Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und ärztliche Leitung der Akutklinik Bad Saulgau.
1. Woran erkennen Betroffene ein Burn-out?
„Das ist in der Tat gar nicht so einfach, denn typische Warnsignale – die Experten in körperliche, emotionale, geistige und soziale Erschöpfung unterteilen – werden von Betroffenen oftmals lange ignoriert oder nicht als solche wahrgenommen.
Allerdings sollten folgende Anzeichen jeden aufhorchen lassen: Wer unter Energiemangel, Schlafstörungen, Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit, Konzentrationsmangel und Vergesslichkeit leidet und bemerkt, dass seine kognitive Leistungsfähigkeit – also Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Nachdenken – weiter abnimmt, sollte seinen Hausarzt aufsuchen.
Zunehmende Isolierung und Rückzug von sozialen Kontakten, die als belastend empfunden werden, lassen ebenfalls auf ein drohendes Burn-out schließen. Partner, Kinder, Familie und Freunde werden vernachlässigt oder gar als feindlich empfunden.“
2. Was sind die Ursachen?
„Wie wir aus der Forschung wissen, liegen die Ursachen mehr im Arbeitsumfeld als beim einzelnen Menschen. So berichten Betroffene oftmals über hohe berufliche Anforderungen, Konflikte oder Mobbing am Arbeitsplatz, immensen Druck durch Vorgesetzte und Kollegen, geringe Wertschätzung, ständige Kritik sowie idealistische Erwartungen an sich selbst und unerreichbare Ziele.
Dadurch wird der vermeintliche Traumjob, für den man mal gebrannt hat, mit der Zeit zum Brandherd und die ursprüngliche Begeisterung für seine Tätigkeit weicht der Frustration und Hilflosigkeit.“
3. Welche körperlichen Symptome können auftreten? Gibt es Vorboten?
„Tatsächlich gibt es Frühwarnsignale, die auch in der heutigen Fachliteratur beschrieben sind. Dazu zählen unter anderem: Widerwillen, zur Arbeit zu gehen, häufiges Auf-die-Uhr-Schauen, Zeit schinden, Erleichterung über ausgefallene Termine, Unlust, Zweifel an der eignen Leistungsfähigkeit, fehlendes Interesse am Gegenüber, zunehmende Intoleranz. Damit einher gehen auch körperliche Symptome und eine zunehmende Infektanfälligkeit.
Betroffene berichten über körperliche Beschwerden, die wiederholt und dauerhaft ohne organischen Befund auftreten, wie zum Beispiel Kopf-, Nacken-, Schulter- und Kreuzschmerz. Aber auch Tinnitus, Hörsturz, Schwindel und Bluthochdruck können immer wieder auftreten. Zudem begünstigt ein Burn-out die Gefahr von psychischen Störungen wie einer Depression und Angstzuständen oder kann in eine Abhängigkeitserkrankung führen.“
4. Kann man Burn-out messen bzw. wie wird es diagnostiziert?
„Ein Burn-out kann man gegenwärtig nicht exakt messen. Es gibt zwar somatische Verfahren wie die Neurohormonuntersuchungen, aber diese sind noch nicht ausgereift. Bisher erfolgt die Diagnostik klassisch in einem ausführlichen Anamnesegespräch und einer sehr umfassenden organmedizinischen Untersuchung.
Letzteres ist wichtig, um körperliche Ursachen auszuschließen, die für die Symptome ursächlich sein könnten. Beispielsweise kann auch eine Schilddrüsenunterfunktion der Auslöser für ständige Müdigkeit und depressive Verstimmungen sein.
Konzipierte Fragebogentests gehören für viele Fachärzte und Therapeuten heutzutage zu den täglichen Messinstrumenten, anhand derer sich die Hauptkomponenten von Burn-out in emotionale Erschöpfung, zunehmende innerliche Abgrenzung von den Mitmenschen und nachlassende Leistungsfähigkeit einteilen lassen.“
5. Wie sollten sich Angehörige verhalten?
„Verständnisvoll. Idealerweise informieren sich Angehörige über die Erkrankung und organisieren fachkundige Unterstützung – auch für sich. Denn Personen, die unter einem Burn-out leiden, reagieren oft zynisch und gereizt, was für das soziale Umfeld sehr belastend sein kann.
Zusätzlich ziehen sich Betroffene zurück. Dies sollte man jedoch nicht als persönliche Kränkung verstehen, sondern als Symptom des Burn-outs. Ein weiterer Tipp: Angehörige tendieren häufig dazu, alles von dem Betroffenen fernzuhalten.
Doch gerade Burn-out-Patienten definieren sich oftmals über ihre Verantwortung, sodass eine Einschränkung ihrer Autonomie wenig zielführend ist.“
6. Was ist der Unterschied zwischen Burn-out und Depression?
„Sowohl einem Burn-out als auch einer Depression liegen Erschöpfungsmerkmale zugrunde, die sich überlappen, sodass eine Abgrenzung nicht ganz einfach ist. Das Vorliegen einer Trias aus gedrückter Stimmung, Antriebsminderung und Interessenverlust auch außerhalb des Arbeitsplatzes spricht für eine Depression.
Wesentlich ist, dass ein Burn-out vor allem mit beruflichen Belastungen verknüpft ist und sich nicht, wie bei einer Depression, auf alle Lebensbereiche bezieht. Wichtig: Die Diagnose Burn-out oder Depression sollte immer durch Fachärzte oder Psychotherapeuten gestellt werden, die die nötige differenzialdiagnostische Erfahrung mitbringen.
Eine Ergänzung der klassischen diagnostischen Verfahren durch moderne Methoden wie die Zustandsmessungen des autonomen Nervensystems kann weitere Hinweise geben.
7. Wo finden Betroffene Hilfe?
„Als erster Ansprechpartner gilt der Hausarzt, der den Patienten, je nach Belastungszustand, an einen ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten, einen Facharzt für Psychiatrie oder einen Facharzt für Psychosomatische Medizin überweist. Im weiteren Verlauf kann eine ambulante, teilstationäre oder auch stationäre Behandlung sinnvoll sein.
Auch Selbsthilfegruppen können dazu beitragen, besser mit der Erkrankung umzugehen und sich gegenseitig zu unterstützen.“
Wer gern mehr erfahren möchte, findet weitere Informationen unter www.akutklinik-badsaulgau.de