Erfolgsfaktoren einer Psychotherapie sind Vertrauen, Mitgestaltung und Ressourcenaktivierung
Erschöpfung, Überforderung, Resignation: Viele Menschen haben heute Probleme, ihren Alltag zu bewältigen und entwickeln psychische oder psychosomatische Symptome.
Eine Psychotherapie kann helfen, das Gefühl von Kontrollverlust und Ausgeliefertsein zu lindern.
Welche Faktoren besonders dazu beitragen, dass dies auch gelingt, ist in den vergangenen Jahren verstärkt erforscht worden.
Als eine der wichtigsten Grundlagen für eine erfolgreiche Therapie gilt bereits seit langem eine gute Arbeitsbeziehung zum Therapeuten oder der Therapeutin.
„Psychosomatische Medizin ist Beziehungsmedizin“, sagt Professor Dr. rer. nat. Dipl. Psych. Ulrike Dinger-Ehrenthal, Kongresspräsidentin des Deutschen Kongresses für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie.
„Eine vertrauensvolle Beziehung wirkt als Kraftquelle, sie kann korrigierende Beziehungserfahrungen ermöglichen, ist eine sichere Basis für die Konfrontation mit bislang vermiedenen Gefühlen und kann motivieren, das eigene Verhalten zu ändern, sodass im Verlauf eine Besserung zu erwarten ist“, erläutert die Chefärztin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LVR-Klinikum Düsseldorf.
Vertrauensvolle Arbeitsbeziehung bessert Symptome
Dass eine gute therapeutische Beziehung sich positiv auswirkt, ist aber nicht nur intuitiv einleuchtend, sondern auch wissenschaftlich gut belegt. „Durch die wiederholte Messung von Beziehungen und Symptomen konnte gezeigt werden, dass positive Therapiebeziehungen tatsächlich eine eigene kurative Wirkung haben“, erklärt die Psychotherapeutin.
Auch hat die jüngere Forschung ihren Fokus in den vergangenen Jahren vermehrt auf die Frage gerichtet, welche wechselseitigen Einflüsse zwischen Beziehungsqualität und Symptomverbesserung bestehen.
„Aktuelle Studien zeigen hier eine enge Wechselwirkung, die im Idealfall in eine positive Spirale mündet: Eine gute Beziehungserfahrung begünstigt eine symptomatische Entlastung, die wiederum die therapeutische Beziehung stärkt“, berichtet Dinger-Ehrenthal.1,2
Aktive Mitgestaltung des Therapieprozesses
Die Chancen dafür, dass eine Therapie erfolgreich verläuft, steigen auch dann, wenn die Patientin oder der Patient aktiv an der Gestaltung der Therapie mitwirkt. Wer sich beteiligt, Neues ausprobiert und sich auch zwischen den Sitzungen mit den Inhalten befasst, erfährt ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit, Kontrolle und Einfluss – der Betroffene wird zum Akteur, zur Akteurin. Auch dieses Gefühl kann Kraft spenden.
„Die Chance auf Besserung ist dann deutlich höher, als wenn darauf gewartet wird, dass die Veränderung sich von allein einstellt oder von außen kommt“, sagt Dinger-Ehrenthal, die zu diesem Aspekt auch selbst geforscht hat.3 „Dazu kann auch gehören, mit der Therapeutin oder dem Therapeuten auszuhandeln, in welche Richtung die Therapie geht“, fügt die Expertin hinzu.
Allerdings wirkt das „agentische“ Verhalten, wie der Fachausdruck lautet, am besten, wenn es auf dem Boden einer positiven Beziehung erfolgt.4
Verfügbarmachen von vorhandenen Fähigkeiten
Die therapeutische Arbeit sollte zudem darauf gerichtet sein, verborgene Stärken und Ressourcen (wieder) stärker in den Blick zu nehmen und letztlich verfügbar zu machen. „Diese Stärken können ganz unterschiedlicher Natur sein“, betont die Kongresspräsidentin. Soziale Fähigkeiten wie etwa das Zulassen von Nähe, das Annehmen von Hilfe oder die Fähigkeit zum Kontaktaufbau zählten ebenso dazu wie Resilienz, gutes Selbst-Verstehen oder kognitive Fähigkeiten.
Erfolgreiche Therapien zielen daher nicht nur darauf ab, Schwächen und Defizite zu kompensieren; vielmehr lenken sie den Fokus auch auf vorhandene Fähigkeiten und Interessen, die unterstützt, ausgebaut und gezielt eingesetzt werden.5 „Das trägt erheblich zur therapeutischen Verbesserung bei“, sagt Dinger-Ehrenthal. Eine solche Ressourcenaktivierung bezieht im Idealfall auch das Umfeld des Patienten oder der Patientin mit ein.
Auf die Balance kommt es an
Was die Wirkfaktoren letztlich aufzeigten, so Dinger-Ehrenthals Resümee, sei die Bedeutung einer gelungenen Balance.
„Eine gute Verbundenheit mit dem Patienten oder der Patientin ist wichtig, darf jedoch nicht deren Autonomie schwächen“, betont die Kongresspräsidentin. nEbenso müsse der Leidensdruck ernst genommen werden, ohne die Aktivierung persönlicher Stärken aus dem Auge zu verlieren – sonst ginge wichtiges Veränderungsmaterial verloren. „Diese Art von Balance erscheint nicht nur für therapeutische Beziehungen ein Erfolgsrezept – sie kann auch einen hilfreichen Gegenpol zu überfordernder Beschleunigungsdynamik bieten“, meint Dinger-Ehrenthal.
Gut zu wissen:
Der Deutsche Kongress für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ist die gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) und des Deutschen Kollegiums für Psychosomatische Medizin (DKPM). Der Kongress findet vom 13. bis 15. März 2024 in Berlin statt.
Wer dazu gern mehr erfahren oder sich anmelden möchte, schaut bitte direkt unter https://www.dkpm.de/de/
Literatur:
1) Flückiger, C., Rubel, J., Del Re, A. C., Horvath, A. O., Wampold, B. E., Crits-Christoph, P., Atzil-Slonim, D., Compare, A., Falkenström, F., Ekeblad, A., Errázuriz, P., Fisher, H., Hoffart, A., Huppert, J. D., Kivity, Y., Kumar, M., Lutz, W., Muran, J. C., Strunk, D. R., Tasca, G. A., … Barber, J. P. (2020). The reciprocal relationship between alliance and early treatment symptoms: A two-stage individual participant data meta-analysis. Journal of consulting and clinical psychology, 88(9), 829–843. https://doi.org/10.1037/ccp0000594
2) Falkenström, F. (2021). Is the quality of the patient-therapist relationship a causal factor for therapy outcome? Nordic Journal of Psychiatry. 75 (1:Sup 1). 53-53.
3) Huber, J., Jennissen, S., Nikendei, Schauenburg, H., & Dinger, U. (2021). Agency and Alliance as Change Factors in Psychotherapy. Journal of Consulting and Clinical Psychology, 89(3), 214-226
4) Jennissen, S., Huber, J., Nikendei, C., Schauenburg, H., & Dinger, U. (2022). The interplay between agency and bond in predicting symptom severity in long-term psychotherapy. Journal of Counseling Psychology, 69(4), 506-517
5) Flückiger, C., Munder, T., Del Re, A. C., & Solomonov, N. (2023). Strength-based methods – A narrative review and comparative multilevel meta-analysis of positive interventions in clinical settings. Psychotherapy Research, 33(7), 856–872.