Chronisch thromboembolische Lungengefäßerkrankung und Linksherzerkrankung schließen einander nicht aus

Die Ergebnisse einer Langzeitanalyse zeigen notwendige Anpassungen in internationalen Leitlinien sowie in der Diagnose und Behandlung auf (Wien, 27-04-2023)

Eine Langzeitanalyse, die von Christian Gerges und Irene Lang an der Universitätsklink für Innere Medizin II von AKH Wien und MedUni Wien konzipiert wurde, zeigt, dass bei einem Drittel der Patient:innen mit chronisch thromboembolischer pulmonaler Hypertonie (CTEPH) gleichzeitig eine Linksherzerkrankung vorliegt.

Die Möglichkeit der  Überlappung dieser beiden Erkrankungen wurde bisher in der Diagnose und Behandlung von CTEPH-Patient:innen nicht berücksichtigt.

Die neuen Ergebnisse wurden im Journal of the American College of Cardiology publiziert.

Die Langzeitanalyse basiert auf der systematischen Untersuchung von 611 Patient:innen, die  zwischen 1993 und 2019 an der Klinischen Abteilung für Kardiologie der Universitätsklinik für Innere Medizin II in Kooperation mit der Universitätsklinik für Thoraxchirurgie von AKH Wien und MedUni Wien diagnostiziert wurden. Dafür wurden exakte hämodynamische Messungen mittels Rechts- und Linksherzkatheter ausgewertet, die an der Klinischen Abteilung für Kardiologie im Herzkatheterlabor durchgeführt wurden.

Die Ergebnisse zeigen, dass eine Linksherzerkrankung gleichzeitig mit einer chronisch thromboembolischen Lungenhochdruckerkrankung auftreten kann.

Diese Überlappung wurde bisher ausgeschlossen und in der Diagnose und Behandlung nicht berücksichtigt. „Bislang haben Guidelines zur Diagnose der chronisch thromboembolischen pulmonalen Hypertonie ausschließlich die Untersuchung der rechten Herzseite erfordert.

Die Möglichkeit, dass CTEPH-Patient:innen auch von einer Linksherzerkrankung betroffen sind, ist in der Diagnoseerstellung nicht berücksichtigt worden. Eine Untersuchung der linken Herzkammer mittels Linksherzkatheter wird daher nur in seltenen Fällen durchgeführt.

Die Ergebnisse der Langzeitstudie zeigen nun, dass bei einem Drittel der CTEPH-Patient:innen auch eine Linksherzerkrankung vorliegt“, so Irene Lang, Studienleiterin und Leiterin der Ambulanz für Lungenhochdruck an der Klinischen Abteilung für Kardiologie von AKH Wien und MedUni Wien.

Ebenso wie bei der Linksherzerkrankung, einer Füllungserkrankung des linken Ventrikels, der wichtigsten Herzkammer des Herzens, von der aus die Organe mit Blut versorgt werden, verschlechtert die spezielle Form der pulmonalen Hypertonie die Atmung.

Klinisch sind die beiden Erkrankungen schwer voneinander zu unterscheiden.

Beide Erkrankungen treten vorwiegend im mittleren bis höheren Lebensalter auf. „Die Ergebnisse der Analyse geben einen eindeutigen Hinweis darauf, dass die Guidelines zur Diagnose der CTEPH um die Untersuchung des linken Herzens mittels Linksherzkatheter erweitert werden sollten, damit eine gleichzeitige Linksherzerkrankung erkannt wird. Denn beide Erkrankungen können nicht nur überlappend auftreten, sondern verstärken sich auch gegenseitig“, so Lang.

Aus dem Analyseergebnis ergeben sich daher auch Konsequenzen für die medikamentöse Behandlung. Lang sieht hier neue Herausforderungen, denn Medikamente für die Linksherzerkrankungen wurden bisher kaum bei Patient:innen mit Lungenhochdruckerkrankungen eingesetzt und Medikamente, die für Lungenhochdruck zugelassen sind, schaden Patient:innen mit Linksherzerkrankungen.

Aufbauend auf den Ergebnissen der Langzeitstudie heißt es nun, die Überlappung zwischen den beiden Erkrankungen näher herauszuarbeiten und Medikamente zu finden, mit denen beide Erkrankungen behandelt werden können.

Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH): Eine seltene Erkrankung

Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) ist eine spezielle Form der pulmonalen Hypertonie und eine schwere Folgeerkrankung einer akuten Lungenembolie, die auch unbemerkt verlaufen kann. Mit einer Prävalenz von 50 pro Million zählt die CTEPH zu den seltenen Erkrankungen.

Während die Diagnose noch in den 1980er-Jahren mit einer schlechten Prognose einherging, hat sich durch neue Therapieoptionen die Prognose für CTEPH-Patient:innen in den letzten Jahrzehnten erheblich verbessert.

Heute stehen den Patient:innen in spezialisierten Lungenhochdruck-Zentren, wie jenem im Universitätsklinikum AKH Wien, in dem verschiedene Fachrichtungen wie Kardiologie, Radiologie, Pulmologie und Thoraxchirurgie eng zusammenarbeiten und das Mitglied des European Reference Networks (ERN) ist, mit einer gezielten medikamentösen Therapie, einem chirurgischen und einem perkutanen Verfahren drei unabhängige Therapieoptionen zur Verfügung.

Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas.

Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum. Mit mehr als 6.000 Mitarbeiter:innen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 13 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.

Die MedUni Wien besitzt mit dem Josephinum auch ein medizinhistorisches Museum.

AKH Wien – Kurzprofil
Im Universitätsklinikum AKH Wien des Wiener Gesundheitsverbundes werden jährlich rund 80.000 Patient:innen stationär betreut.

Die Ambulanzen und Spezialambulanzen des AKH Wien werden zusätzlich etwa 1,2 Mio. Mal frequentiert.

Gemeinsam mit den Ärzt:innen der MedUni Wien stehen für die Betreuung unserer Patient:innen rund 3.000 Krankenpflegepersonen, über 1.000 Angehörige der medizinischen, therapeutischen und diagnostischen Gesundheitsberufe und viele weitere Mitarbeiter:innen der verschiedensten Berufsgruppen zur Verfügung

Publikation: Journal of the American College of Cardiology
Left Ventricular Filling Pressure in Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension Christian Gerges, Anna-Maria Pistritto, Mario Gerges, Richard Friewald, Valerie Hartig, Thomas M Hofbauer, Benedikt Reil, Leon Engel, Varius Dannenberg, Stefan P Kastl, Nika Skoro-Sajer, Bernhard Moser, Shahrokh Taghavi, Walter Klepetko, Irene M Lang

Doi: 10.1016/j.jacc.2022.11.049

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36792280/