DGTI: Moderne Gentests können Suche nach passenden Blutprodukten erleichtern und Bluttransfusionen sicherer machen
Die Bestimmung der Blutgruppe könnte zukünftig häufiger automatisiert von Sequenziermaschinen übernommen werden.
Mit ihnen können in einem Schritt alle Gene entschlüsselt werden, die für die Blutgruppen verantwortlich sind. Bisher erfolgt die Bestimmung der Blutgruppen in mehreren Schritten im Labor.
Die neue Methode könnte nach Einschätzung der Deutschen Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie e.V. (DGTI) die Sicherheit für Patientinnen und Patienten erhöhen, weil die Blutprodukte so noch detaillierter bestimmt und damit passgenauer ausgewählt werden können.
Es gibt deutlich mehr Blutgruppen als diejenigen, die man aus dem normalen Blutspendeausweis kennt.
Die International Society of Blood Transfusion unterscheidet mittlerweile 45 verschiedene Blutgruppen.
Berücksichtigt man die verschiedenen Varianten der einzelnen Blutgruppen-Gene, ergeben sich sogar 360 verschiedene Blutgruppen.
„Wenn die Blutspende nicht zur Blutgruppe des Empfängers passt, bilden manche Empfänger Antikörper“, erläutert Dr. med. Christof Weinstock vom Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik Ulm.
Die Antikörper lösen nach einer Transfusion eine Immunabwehr gegen die fremden Blutzellen aus und zerstören sie.
„Diese sogenannte Hämolyse ist eine schwerwiegende Komplikation, bei der rote Blutzellen, sogenannte Erythrozyten, abgebaut werden, die für den Sauerstofftransport im Blut zuständig sind. Deshalb ist die passgenaue, automatisierte Bestimmung der Blutprodukte ein enormer medizinischer Fortschritt", betont der Experte.
Gentests können Bluttransfusionen sicherer machen
Insbesondere bei Menschen, die häufig eine Bluttransfusion erhalten, bringe das neue Verfahren Fortschritte. Dies ist etwa bei Patientinnen und Patienten der Fall, die an einer Sichelzellanämie leiden.
Bei dieser Erkankung zerfallen die roten Blutkörperchen der Erkrankten vorzeitig und es kommt zu einer Anämie, sodass sie auf die Bluttransfusion angewiesen sind.
„Wenn Patientinnen und Patienten das erste Mal eine fremde Blutgruppe erhalten, kann es zur Bildung von Antikörpern kommen. Studien deuten darauf hin, dass Sichelzellanämie-Patientinnen und -Patienten einem höheren Risiko ausgesetzt sind als andere, Antikörper gegen bestimmte Blutgruppenantigene zu bilden“, erläutert Weinstock.
„Wir sprechen dann von einer Alloimmunisierung. Wenn der Patient oder die Patientin nach einiger Zeit erneut eine Transfusion mit derselben Blutgruppe erhält, kann es zu einer lebensgefährlichen Transfusionsreaktion kommen. Todesfälle sind glücklicherweise selten, doch die Alloimmunisierung ist ein häufiges Problem für Menschen, die regelmäßig Bluttransfusionen benötigen“, so der Transfusionsmediziner.
Etwa 30 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit Sichelzellkrankheit entwickeln im Verlauf ihres Lebens eine Alloimmunisierung.
„Die Blutbanken stellt dies immer wieder vor Probleme“, berichtet Weinstock.
Eine Erleichterung verspricht sich der Experte von der Gensequenzierung. Sie liefert detaillierte Informationen über die Antigene, die für die Immunreaktion verantwortlich sind.
Die Kosten für die Untersuchung sind in den vergangenen Jahren stark gesunken.
Mit dem „Next-Generation Sequencing“ ist es möglich, alle Gene gleichzeitig zu analysieren. „Durch die Genotypisierung sparen wir viele zeitaufwändige serologische Tests, die Mehrkosten werden sich in Grenzen halten“, sagt Weinstock.
Genotypisierung kann Suche nach seltenen Blutgruppen und passenden Stammzellspendern erleichtern
Bei sehr seltenen Blutgruppen kann es schwierig sein, das passende Blutprodukt zu finden. Bisher mussten die Blutbanken viele einzelne Labortests durchführen, wenn ein Patient oder eine Patientin mit einer seltenen Blutgruppe eine Bluttransfusion benötigte. Auch bei der Auswahl von Stammzellspendenden kommt es auf die Passgenauigkeit zwischen Spendenden und Empfängern an, um Abstoßungsreaktionen zu verhindern.
„Die Genotypisierung hilft bei der Bestimmung zahlreicher Merkmale und verbessert damit die Verfügbarkeit passender Präparate für Patientinnen und Patienten mit bestimmten Antikörpern. Durch die Vernetzung der einzelnen Blutbanken werden wir auch für die anderen Blutgruppen Spender finden“, ist sich DGTI-Präsident Professor Dr. med. Holger Hackstein vom Universitätsklinikum Erlangen sicher.