Erstmals wichtige Rolle von Immunzellen im Darm bei Eisenmangel identifiziert
Eisenmangel stellt eine der fünf Hauptursachen für eine gesundheitliche Beeinträchtigung dar.
30 Prozent der Weltbevölkerung, insbesondere Frauen, sind davon betroffen.
Warum es zu einem Mangel kommen kann, auch wenn genug Eisen über die Nahrung zugeführt wird, ist in der wissenschaftlichen Forschung bisher nicht ausreichend geklärt.
Ein Forschungsteam der MedUni Wien entdeckte nun erstmals, dass eine Fehl- oder Überfunktion bestimmter Immunzellen im Darm bei der Eisenaufnahme im Körper eine wichtige Rolle spielt.
Die Studienergebnisse können einen neuen Ansatz für mögliche therapeutische Maßnahmen liefern und wurden kürzlich im Fachjournal „Blood“ publiziert.
Für einen ausgeglichenen Eisenstoffwechsel müssen täglich zirka ein bis zwei Milligramm des Spurenelements über die Nahrung zugeführt und schließlich im Zwölffingerdarm (Duodenum) aufgenommen werden.
Dass bestimmte Immunzellen (Makrophagen) in diesem Darmabschnitt die Eisenaufnahme kontrollieren, konnte das Forschungsteam um Nyamdelger Sukhbaatar und Thomas Weichhart vom Zentrum für Pathobiochemie und Genetik der MedUni Wien nun erstmals zeigen.
Konkret ergaben die Forschungen, dass eine Aktivierung der Makrophagen direkt im Zwölffingerdarm zu einem Stopp der Eisenverfügbarkeit im Körper führt.
„Wir konnten feststellen, dass die Makrophagen im Duodenum das Eisentransportmolekül Transferrin gleichsam wegfressen. Somit bleibt das Eisen in den Darmzellen und kann nicht mehr in den Blutkreislauf gelangen“, erläutert Erstautorin Nyamdelger Sukhbaatar.
Darüber hinaus ergab die Studie, dass auch beim Fasten, bei der Nahrungsaufnahme oder während einer Darminfektion Makrophagen aktiviert werden und sich dadurch die Menge an Transferrin im Darm ändert.
„Damit stellen unsere Erkenntnisse einen echten Paradigmenwechsel dar, wurde doch bisher davon ausgegangen, dass Transferrin überall im Körper immer gleichmäßig vorhanden ist und bei der Eisenregulation eigentlich keine Rolle spielt“, unterstreicht Studienleiter Thomas Weichhart.
Neuer Ansatz für therapeutische Möglichkeiten
Vor dem Hintergrund ihrer Studienergebnisse untersucht das Forschungsteam derzeit, ob die Makrophagen im Darm und deren Regulation von Transferrin auch bei entzündlichen Darmerkrankungen, Darminfektionen oder Magenschleimhautentzündungen gestört sein könnten.
Potenzielle therapeutische Ansätze gebe es bereits
Im Tiermodell konnten klinisch zugelassene Medikamente (mTOR-Hemmer oder Serinproteaseblocker) die Mengen von Transferrin erhöhen und die Eisenverfügbarkeit für den Organismus wiederherstellen. Ob diese Behandlungsmöglichkeiten auch beim Menschen eingesetzt werden können, soll ebenfalls in weiteren Studien erforscht werden.
Ausgeglichener Eisenstoffwechsel wichtig für Gesundheit
Ein ausgeglichener Eisenstoffwechsel ist eine wesentliche Voraussetzung für die Gesundheit. Eisen ist ein wichtiger Bestandteil des Blutfarbstoffs Hämoglobin, der für den Sauerstofftransport in den roten Blutkörperchen verantwortlich ist. Mangelt es dem Körper an diesem Spurenelement, ist Blutarmut die Folge.
Ebenso fatal ist ein Überschuss an Eisen, ausgelöst durch bestimmte genetische Erkrankungen wie der Hämochromatose, bei der die überschüssige Eisenablagerung langfristig viele Organe zerstört. Daher hat unser Organismus einige, teilweise redundanten Mechanismen entwickelt, um genau die richtige Menge an Eisen aufzunehmen.
Dennoch zählen nicht nur eine Eisenmangelernährung, sondern auch eine gestörte Eisenaufnahme trotz genügend Eisenverfügbarkeit in der Nahrung zu den häufigsten Ursachen von Eisenmangel und Blutarmut. Die neue Studie legt nahe, dass Immunzellen im Zwölffingerdarm für Eisenabsorptionsprobleme verantwortlich sein könnten.
Medizinische Universität Wien – Kurzprofil
Die Medizinische Universität Wien (kurz: MedUni Wien) ist eine der traditionsreichsten medizinischen Ausbildungs- und Forschungsstätten Europas. Mit rund 8.000 Studierenden ist sie heute die größte medizinische Ausbildungsstätte im deutschsprachigen Raum.
Mit mehr als 6.000 Mitarbeiter:innen, 30 Universitätskliniken und zwei klinischen Instituten, 13 medizintheoretischen Zentren und zahlreichen hochspezialisierten Laboratorien zählt sie zu den bedeutendsten Spitzenforschungsinstitutionen Europas im biomedizinischen Bereich.
Die MedUni Wien besitzt mit dem Josephinum auch ein medizinhistorisches Museum
Weitere Informationen erhalten Sie direkt unter www.meduniwien.ac.at
Publikation: Blood
Duodenal macrophages control dietary iron absorption via local degradation of transferrin;
Nyamdelger Sukhbaatar, Maria Schöller, Stephanie Deborah Fritsch, Monika Linke, Stefanie Horer, Manuela Träger, Mario Mazić, Stephan Forisch, Karine Gonzales, Jan Pascal Kahler, Carina Binder, Caroline Lassnig, Birgit Strobl, Mathias Müller, Barbara Scheiber-Mojdehkar, Claudia Gundacker, Stefanie Dabsch, Renate Kain, Markus Hengstschläger, Steven H.L. Verhelst, Günter Weiss, Igor Theurl, and Thomas Weichhart;
doi: 10.1182/blood.2022016632