Folsäure gegen Suizid-Risiko
Randomisierte Studie gefordert zur Prüfung therapeutischer Wirkung von Folsäure
In einer großen pharmakoepidemiologischen Studie mit fast 1 Mio. Teilnehmernzeigte sich, dass die Supplementierung mit Folsäure (1 mg pro Tag) das Risiko für suizidales Verhalten reduzieren könnte. Die Autoren plädieren nun für randomisierte klinische Studien, um die therapeutische Wirkung von Folsäure-Nahrungsergänzung auf suizidale Vorstellungen und Verhalten zu prüfen.
Folsäure ist eines der B-Vitamine (Vitamin B9). Es wird nicht von uns selbst produziert, sondern muss mit der Nahrung aufgenommen werden. Die Nahrungsergänzung mit Folsäure gehört zum Standard für Frauen im gebärfähigen Alter, da bei einem Mangel das Risiko für Entwicklungsstörungen des Nervensystems eines Fötus steigt (Neuralrohrdefekte).
Eine Kohortenstudie prüfte nun, ob Folsäuremangel auch mit psychischen Folgen, speziell mit Selbstverletzung und Suizid, in Zusammenhang stehen und mittels Nahrungsergänzung behandelt werden könnte.
Senkt Nahrungsergänzung mit Folsäure die Suizid-Gefahr?
Wissenschaftler untersuchten mit Hilfe einer nationalen pharmakoepidemiologischen Studie in den USA Patienten, die mit Folsäure behandelt wurden, und ermittelten die Zahl der Suizidversuche oder Selbstverletzungen.
Die psychische Gesundheit von Patienten mit privater Krankenversicherung, die zwischen 2012 und 2017 eine Verschreibung von Folsäure erhielten, wurde über 24 Monate betrachtet. Suizidversuche oder Selbstverletzungen wurden sowohl bei ambulanter als auch stationärer Behandlung analysiert.
Die Analyse wurde darüber hinaus mit einer Kontroll-Nahrungsergänzung (Cyanocobalamin, Vitamin B12) wiederholt.
Verschreibungen von Folsäure (Vitamin B9) bei 866 586 Menschen
Daten von 866 586 Patienten wurden betrachtet. 704 514 Patienten (81,30%) waren Frauen, 90 296 Patienten (10,42 %) waren mindestens 60 Jahre alt. In den beobachteten Zeiträumen kam zu 261 Suiziden oder Suizidversuchen in Monaten, in denen eine Folsäure-Verschreibung vorlag (5 521 597 Personen-Monate), mit einer Rate von 4,73 pro 100 000 Personen-Monate. Im Vergleich dazu kam es zu 895 suizidalen Ereignissen in den Monaten ohne Folsäure-Verschreibung (8 432 340 Personen-Monate) mit einer Rate von 10,61 pro 100 000 Personen-Monate.
Die Autoren analysierten die Daten unter Berücksichtigung von Alter und Geschlecht, Diagnosen, die mit suizidalem Verhalten in Verbindung standen, Diagnosen in Zusammenhang mit Folsäuremangel, aktuell oder vorherige Folsäure-reduzierende Medikationen und früheren suizidalen Ereignissen.
Bei entsprechender Adjustierung der Analyse ergab sich ein Risiko (Hazard Ratio, HR) für Folsäure-Ergänzung und suizidale Ereignisse von HR: 0,56 (95 % Konfidenzintervall, KI: 0,48 – 0,65).
Ähnliche Ergebnisse ergaben sich bei Analyse von Dosierungen von 1 mg Folsäure täglich (HR: 0,57; 95 % KI: 0,48 – 0,69) und bei Frauen im gebährfähigen Alter (HR: 0,60; 95 % KI: 0,50 – 0,73).
Die weitere Analyse zeigte eine Abnahme suizidaler Ereignisse um 5 % pro Monat bei zusätzlicher Behandlung mit der Dosierung von täglich 1 mg (HR: 0,95; 95 % KI: 0,93 – 0,97).
Die Analyse der Kontrollbehandlung, Vitamin B12, ergab hingegen keine Assoziation mit Suizidversuchen (HR: 1,01; 95 % KI: 0,80 – 1,27).
Deutlich weniger suizidale Ereignisse mit Folsäure, nicht aber mit Vitamin B12
Diese große pharmakoepidemiologische Studie zeigte somit eine gesenkte Suizidrate bei Supplementierung mit Folsäure. Die Autoren plädieren für randomisierte klinische Studien, um die therapeutische Wirkung von Folsäure-Nahrungsergänzung auf suizidale Vorstellungen und Verhalten zu prüfen. Falls dieser Effekt bestätigt würde, wäre der Ausgleich eines Folsäuremangels eine einfache und günstige Behandlungsoption bei bestehendem Suizidrisiko.
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Original Titel:
Association Between Folic Acid Prescription Fills and Suicide Attempts and Intentional Self-harm Among Privately Insured US Adults
Quelle:
Gibbons RD, Hur K, Lavigne JE, Mann JJ. Association Between Folic Acid Prescription Fills and Suicide Attempts and Intentional Self-harm Among Privately Insured US Adults. JAMA Psychiatry. 2022 Nov 1;79(11):1118-1123. doi: 10.1001/jamapsychiatry.2022.2990. PMID: 36169979; PMCID: PMC9520442.