Verstopfung, Schluckstörung, Übelkeit oder Erbrechen
... wenn die Verdauung zu träge wird
Leiden Patienten unter chronischer Verstopfung, Schluckstörungen, Übelkeit oder Erbrechen, kann eine gastrointestinale Motilitätsstörung dahinterstecken. Häufig sind ältere Menschen von dieser Verdauungsstörung betroffen. Denn mit zunehmendem Alter degeneriert das enterische Nervensystem (ENS), das für wichtige Bewegungsabläufe im Magen-Darm-Trakt zuständig ist.
Auch Autoimmunphänomene nach Virusinfektionen, neurologische oder rheumatische Erkrankungen, vorangegangene Operationen oder bestimmte Ernährungsgewohnheiten können hinter Motilitätsstörungen stecken.
Expert*innen der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. erklären die perorale endoskopische Myotomie (POEM) als Behandlungsmöglichkeit. Sie kommt insbesondere für Patienten mit einer bestimmten Form der Motilitätsstörung der Speiseröhre, der Achalasie, infrage. Außerdem geben sie Tipps, um die Verdauung anzuregen.
Funktionsstörungen (Störungen der Darm-Hirn-Achse) und Bewegungsstörungen (Motilitätsstörungen) im Magen-Darmtrakt sind sehr häufig und betreffen in Deutschland immer mehr Menschen.
Grund dafür ist vor allem die demografische Entwicklung.
„Im Alter nehmen viele dieser Störungen im Verdauungsapparat zu. Meist sind die Störungen durch Veränderungen von Nerven- und Muskeln der Speiseröhre, des Magens, des Dünn- und Dickdarms und des Enddarms“ bedingt, erklärt Professor Dr. med. Thomas Frieling, Kongresspräsident 2022 und Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie, Neurogastroenterologie, Infektiologie, Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, am Helios-Klinikum Krefeld. „Es können aber auch andere Ursachen wie Erkrankungen, Immunstörungen, Infektionen oder vorangegangene Operationen dahinterstecken.“
Bei vielen Funktionsstörungen hilft häufig eine Umstellung der Ernährungsgewohnheiten, um die Symptomatik zu reduzieren. Medikamentöse Therapien bleiben häufig erfolglos, da sie mit etlichen Nebenwirkungen einhergehen können oder Patienten nicht darauf ansprechen.
„Bei bestimmten Erkrankungen wie der Achalasie sind operative Eingriffe angezeigt – vor allem dann, wenn sich die Speiseröhre durch eine Verkrampfung der Schließmuskulatur nicht mehr zum Magen hin öffnen kann“, erklärt Professor Dr. med. Thomas Rösch, Direktor der Klinik und Poliklinik für Interdisziplinäre Endoskopie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Dies gelte unter Umständen auch für Magenentleerungsstörungen.
Die Achalasie beruht auf einer Spastik des unteren Schließmuskels der Speiseröhre und führt zu Schluckstörungen.
Die perorale endoskopische Myotomie (POEM) ist die erste Anwendung der submukösen Tunneltechnik.
Hierbei verschafft sich die/der Behandelnde Zugang zum betroffenen Schließmuskel über das Bindegewebe zwischen den Schichten von Schleimhaut und Muskulatur.
„Durch diese sogenannte Endoskopie des dritten Raums ist es möglich, die Muskulatur ohne Zugang durch die Bauchdecke zu erreichen“, führt Rösch aus. Zwar seien noch einige Folgen, wie vermehrter Säurerückfluss aus dem Magen, in weiteren Studien zu klären. Insgesamt konnte jedoch gezeigt werden, dass diese Methode gegenüber herkömmlichen chirurgischen Prozeduren überlegen ist.
„Bei der Magenentleerungsstörung verzeichnen wir mit POEM dagegen aktuell eine Erfolgsrate von nur etwa 50 bis 60 Prozent“, sagt Rösch. Anderen Verfahren wie der Injektion von Botulinumtoxin sei sie mit dieser Erfolgsrate jedoch dennoch überlegen. „Welche Patientengruppen von der POEM aber wirklich profitieren, ist derzeit noch offen.“ Eine Behandlung von Motilitätsstörungen sei insgesamt sowohl konservativ als auch operativ eine große Herausforderung, so Rösch.
„Für die Zukunft sehen wir ein großes Anwendungsgebiet der Methode in der Wiederherstellung von Muskelfunktionen – also in der Bekämpfung der Ursachen von Motilitätsstörungen, nicht nur der Symptomatik“, ergänzt Kongresspräsidentin 2022, Professorin Dr. med. Ulrike Denzer, die auch Vorsitzende der DGVS Sektion Endoskopie ist.
Die Entwicklung gehe jedoch weiter: So könnten mithilfe der Technik Stammzellen in den Muskel injiziert werden, die dessen Funktion wiederherstellen – (hieran werde tierexperimentell gearbeitet) oder Schrittmacher, bei der die Implantation der Elektroden bisher nur chirurgisch möglich sei. Die endoskopische Tunneltechnik hätte darüber hinaus bereits Anwendung bei der Entfernung von frühen Tumoren in der Speiseröhre gefunden.
„POEM ist eine wichtige Ergänzung des minimalinvasiven Portfolios der modernen Viszeralmedizin – mit großem Potential für künftige Herausforderungen“, so die Endoskopie-Expertin aus Marburg.
Tipps gegen leichte Verdauungsbeschwerden:
1. Trinken Sie genug Wasser, vor allem ballaststoffreiche Nahrung quillt im Darm auf und kann ohne ausreichend Wasser zu Verstopfung führen.
2. Bewegen Sie sich ausreichend. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt mindestens 150 Minuten pro Woche. Dazu zählt auch schon ein schnellerer Spaziergang. Die Bewegung stimuliert den Darm, besonders geeignet ist Treppensteigen.
3. Tee mit Fenchel, Anis und Kümmel hilft gegen Blähungen. Auch Pfefferminze kann helfen – Menschen mit Sodbrennen sollten jedoch darauf verzichten.
4. Bei Sodbrennen kann Kamillentee helfen, er beruhigt die gereizten Magenschleimhäute.
5. Getrocknete Pflaumen oder Feigen regen die Darmtätigkeit an. Aber auch dazu ist es wichtig, mindestens zwei Liter täglich zu trinken.
Die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS)
wurde 1913 als wissenschaftliche Fachgesellschaft zur Erforschung der Verdauungsorgane gegründet. Heute vereint sie mehr als 6500 in Klinik und Forschung tätige Ärzt*innen unter einem Dach.
Die DGVS fördert sehr erfolgreich wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und Fortbildungen und unterstützt aktiv den wissenschaftlichen Nachwuchs.
Ein besonderes Anliegen ist der DGVS die Entwicklung von Standards und Behandlungsleitlinien für die Diagnostik und Therapie von Erkrankungen der Verdauungsorgane – zum Wohle der Patienten.
Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) e.V. - www.dgvs.de