Digitale Psychotherapie: Gefährlich oder hilfreich?

Online-Behandlungen psychischer Krankheiten

Ob Ängste, Depressionen oder Burn-out – Verschiedene Gesundheits-Apps und -Plattformen sollen inzwischen bei diesen mentalen Beschwerden therapeutisch helfen.

Doch eignen sich Online-Hilfsangebote tatsächlich zur Behandlung psychischer Erkrankungen?

Klaus-Dirk Kampz, Geschäftsführer der My Way Psychiatrische Klinik in Eckenhagen, erklärt, wieso manche der Angebote nützlich, andere hingegen schädlich für die mentale Gesundheit sein können.

Schnelle und flexible Lösung

Viele Menschen, die professionelle Unterstützung benötigen, warten mehrere Monate auf einen Therapieplatz. Die Nachfrage ist wesentlich höher als das Angebot an Psychotherapeuten, die von Krankenkassen gelistet sind und deren Kosten übernommen werden.

Einige Betroffene beschließen daher, sich mithilfe spezieller Therapie-Apps selbst zu behandel - manche Krankenkassen empfehlen sogar Online-Kurse und bezuschussen sie.

Aber nicht nur ein Mangel an Therapieplätzen sorgt für die Nutzung digitaler Angebote

Wer sich beispielsweise wegen eines vorherrschenden Stigmas davor scheut, jemandem persönlich von seinen psychischen Leiden zu erzählen, zieht die anonyme Variante oftmals vor. „Therapie-Plattformen bieten zudem die Möglichkeit, überall und jederzeit an der eigenen psychischen Gesundheit zu arbeiten.

Das ist beispielsweise für Personen mit eingeschränkter Mobilität sowie für Erkrankte während eines Lockdowns praktisch“, weiß Kampz.

Sich selbst behandeln

Digitale therapeutische Programme sollen die Symptome der Betroffenen reduzieren und zu neuen Sichtweisen und Verhaltensmustern verhelfen.

„Dazu findet einleitend meist ein Selbsttest statt und daraufhin eine Einweisung in die empfohlene Behandlungsform, zum Beispiel die kognitive Verhaltenstherapie. Anschließend folgen mehrere Übungsblöcke, bei denen Techniken zum Umgang mit der jeweiligen Erkrankung vorgestellt werden“, erklärt Kampz. Die Schwerpunkte richten sich dabei nach den psychischen Beschwerden des Nutzers.

Bei einigen Online-Kursen besteht zudem die Möglichkeit, mit Therapeuten zu schreiben, zu telefonieren oder per Videoanruf zu sprechen. Oftmals ist die digitale Maßnahme auf eine Dauer von sechs bis zwölf Wochen ausgelegt.

Versteckte Risiken

Apps und Programme können sich allerdings als gefährlich herausstellen, wenn diese nicht fachlich geprüft wurden und die Grenzen zwischen Beratung, Hilfe zur Selbsthilfe und Behandlung verschwimmen.

Diagnostizieren die Programme beispielsweise eine psychische Erkrankung, überfordert das viele Nutzer:

Betroffene werden ohne professionelle Unterstützung mit der – vielleicht sogar falschen – Diagnose alleingelassen.

Auch eine Chatfunktion, die das Teilen von Suizidgedanken oder Bildern der Selbstverletzung ermöglicht, kann bei ausbleibenden oder inkompetenten Reaktionen negative Effekte auf die mentale Gesundheit der Nutzer haben.

Daher ist es wichtig, dass Online-Angebote über therapeutisch ausgebildete Moderatoren verfügen, die insbesondere auf akute Äußerungen schnell und professionell eingehen.

Hilfe zur Selbsthilfe

Nicht bei jedem besteht die Möglichkeit, sich in den eigenen vier Wänden zurückzuziehen. Um sich in Ruhe mit der eigenen mentalen Gesundheit zu befassen, eignen sich meist Behandlungszimmer von Therapeuten besser. Oftmals stellen sie einen sicheren Rückzugsort für Patienten dar.

Zudem fehlen bei Online-Programmen der direkte Kontakt und das Vertrauensverhältnis. „Digitale Formate mit programmierten Lösungen können nur bedingt auf persönliche Bedürfnisse eingehen und ersetzen daher keine Therapie, bei der sich Therapeut und Patient in einem realen Raum miteinander unterhalten“, weiß Kampz.

„Geprüfte Programme eignen sich jedoch gut, um die Wartezeit auf einen Therapieplatz zu überbrücken, um die Hemmschwelle vor Therapiegesprächen zu verlieren oder als ergänzende Alltagshilfe.

Nutzer können dadurch lernen, sich selber zu verstehen und mit schlechten Angewohnheiten, sei es im Denken oder Handeln, besser umzugehen. Für bestimmte Patienten empfiehlt sich auch die kombinierte Behandlungsform, das heißt ein Teil klassisch anwesend und ein Teil videogestützt, die stets beim gleichen Therapeuten stattfindet.“

Weitere Informationen unter www.myway-klinik.de