Großspurig, selbstverliebt und berechnend?

Damian Richter, Erfolgscoach und Buchautor, erklärt, was Narzissten ausmacht und wie man am besten mit ihnen umgeht

„Immer wieder kommt das Gerücht auf, dass die sozialen Medien Narzissten heranziehen, gleichzeitig betreibt die junge Generation jedoch ebenso viel Selbstbeweihräucherung auf diesen Plattformen. Parallel steigt die Zahl der Schönheitsoperationen, Models streben nach einem Idealbild und auch im Fernsehen gibt es immer mehr Geltungsbedürftige auf allen Kanälen.

Narzissten besitzen im allgemeinen Kontext einen schlechten Ruf und niemand freut sich über eine solche Bezeichnung oder mit ihrem beziehungsweise seinem Verhalten andere zu kränken oder zu verärgern.

Im allgemeinen Sprachgebrauch gelten solche Menschen oft als selbstverliebt und arrogant – der Ursprung dafür findet sich bereits in der griechischen Mythologie. Hier verliebt sich der Jüngling Narziss in sein eigenes Spiegelbild und stirbt bei dem Versuch, es zu erreichen.

So langsam stellt sich einem in diesem Zusammenhang daher die Frage, ob wir in einem Zeitalter der Narzissten leben oder vielleicht sogar jede beziehungsweise jeder von uns solche selbstverliebten Tendenzen aufweist.

Gesundes Mittelfeld oder ungesunde Randbereiche

Immer mehr prominente Persönlichkeiten bekommen von Therapeuten per fragwürdiger Ferndiagnose Narzissmus attestiert. Aber was genau bedeutet das und wie gehe ich mit betroffenen Personen am besten um?

Narzissmus definiert die Psychologie als ein Persönlichkeitsmerkmal, was jeder von uns in unterschiedlicher Ausprägung besitzt. Dabei bewegt sich ein Großteil natürlich im gesunden Mittelfeld und nur ein kleiner Teil befindet sich in den eher unsozialeren Randbereichen.

Zudem benötigt es eine klare Trennung zwischen einem gesunden Selbstwertgefühl und narzisstischen Tendenzen und auch Ehrgeiz beziehungsweise ein bisschen Selbstüberschätzung machen einen noch nicht zu einem selbstverliebten Menschen.

Eine solche Störung entsteht oftmals aus einem geringen Selbstbewusstsein, das Betroffene durch Bewunderung sowie Anerkennung steigern wollen.

Unterschiedlich und doch vereint

Bei den Extremfällen gibt es eine Unterscheidung zwischen der grandiosen und vulnerablen Variante. Erstere beeindruckt mit ihrer Begeisterungsfähigkeit und ihrem Charme, aber schnell zeigt sich auch die schlechte Seite mit Angeberei, Egoismus und mangelndem Einfühlungsvermögen.

Vulnerable Typen hingegen treten eher als depressiv und unterwürfig auf.

Empathie gehört zu ihren Stärken, um somit die Erwartungen ihres Umfelds jederzeit zu erfüllen. Früher glaubten Forscherinnen und Forscher, dass es sich um zwei unterschiedliche Typen von Menschen handelt, heute geht ein Großteil jedoch davon aus, dass diese Varianten zwei Seiten derselben Medaille darstellen und jeder Narzisst beziehungsweise jede Narzisstin Züge von beiden Versionen in sich vereint.

Führungsstärke oder nicht

In jungen Jahren besitzen die meisten Menschen noch einen ausgeprägten Narzissmus und erst mit der Zeit kommt die Erfahrung beziehungsweise die Erkenntnis, dass auch sie sich nicht als der Nabel der Welt erweisen.

Zudem erkennen wir solche Persönlichkeitszüge besser an anderen als an uns selbst.

Aber – wenn er nicht überhandnimmt – kann Narzissmus in ausgewogenem Maße sogar eine gute Unterstützung im Arbeitsumfeld oder auch im privaten Alltag bieten.

Menschen mit dieser Störung kommen beispielsweise mehrheitlich gut durchs Leben und finden sich sogar oftmals in Führungspositionen wieder. Hierfür erweisen sich die positiven Qualitäten vom Narzissmus als hilfreich, wie beispielsweise Intelligenz, Kreativität, hohe sprachliche Kompetenz oder auch Mut.

Gleichzeitig müssen Betroffene aber einen schmalen Grat zwischen charismatischer Führung und Persönlichkeitsstörung bestreiten, was sehr schnell auch zum beruflichen Absturz führen kann.

Sparsam und vorsichtig mit Kritik

Im Umgang gibt es ein paar empfohlene Verhaltensregeln, da sich Narzissten als sehr empfindsam und kritikunfähig herausstellen. Direkte Konfrontation bringt das Umfeld zumeist nicht weiter und führt nur dazu, dass das Gegenüber sich angegriffen fühlt.

Es empfiehlt sich daher, nicht die Person, sondern deren Verhalten mit möglichst vorsichtiger, aber präziser Kritik anzusprechen.

Angehörige und Freunde sollten wissen, dass sie den Narzissten beziehungsweise die Narzisstin oftmals schlecht bis gar nicht ändern können und leider versagen auch mögliche Therapien an vielen Stellen, da die Betroffenen sie vielmals abbrechen oder gar nicht erst antreten.

Alternativ hilft es, sich eine möglichst gesunde Beziehungskultur aufzubauen, Schwächen und Begrenzungen zuzugeben und den ständigen Wettstreit zu beenden.

Oder doch nur mehr Individualität?

Angeborenes Temperament legt oftmals den Grundstein für ein narzisstisches Selbst und findet teilweise Verstärkung durch das in jungen Jahren geprägte Gefühl, nicht angenommen, verstanden oder bestätigt zu werden.

Insgesamt gibt es jedoch kaum Argumente für eine wachsende narzisstische Gesellschaft und auch die junge Generation bietet keinen ausreichenden Befund für diese These.

Zwar kommt aus ihrer Richtung eine stärkere Beteiligung an den sozialen Medien, aber dies allein fördert nicht die Entstehung von weiteren Narzisstinnen und Narzissten. Bei all den negativen Aspekten dürfen wir aber auch nie vergessen, dass es die Gesundheit fördert, ein starkes Selbstbewusstsein zu besitzen.

Abschließend lässt sich zudem sagen, dass in der jungen Generation ein größerer Wunsch nach Individualität und mehr Selbstbewusstsein existiert, der sich nicht selten mit narzisstischen Tendenzen verwechseln lässt.“
 
Weitere Informationen erhalten Sie auch direkt unter www.damian-richter.com.