Die großen 5: Was sagen Persönlichkeitszüge über das Risiko für Depression und Bipolare Störung aus?

Hohe Werte bei Faktor 2 (Neurotizismus) könnten auf Risiko für affektive Störung deuten

Manche Persönlichkeitszüge können einen Einfluss auf die Anfälligkeit für psychiatrische Erkrankungen haben. Forscher untersuchten nun, ob die Befragung zu den Big 5, also den fünf wichtigen Persönlichkeitszügen, mit Befragungen zu affektiven Symptomen übereinstimmt.

In der Online-Studie mit 8 470 jungen Erwachsenen zeigte sich, dass Neurotizismus in Persönlichkeitstests einen Hinweis auf affektive Symptome geben kann. Ob so auch die Früherkennung gefährdeter Menschen und präventive Interventionen ermöglicht werden könnten, wird weiter untersucht werden müssen.

Online-Tests sind eine günstige Möglichkeit, um viele Menschen in kurzer Zeit auf Risiken für psychiatrische Erkrankungen zu untersuchen. Allerdings wird diskutiert, ob klassische psychiatrische Fragebögen zu einer übersteigerten medizinischen Betrachtung normaler emotionaler Reaktionen führen könnten und so letztlich in Massenscreenings mehr Schaden anrichten könnten.

Persönlichkeitstests sind dagegen für das Screening in Bewerbungsverfahren bei Firmen entwickelt. In diesen wird nicht-klinisches Vokabular verwendet, das somit keine medizinische Konnotation hat. Gleichzeitig wurde bereits früher demonstriert, dass Persönlichkeitszüge einen Einfluss auf die Anfälligkeit für manche psychiatrische Erkrankungen haben können.

Big 5: Lassen sich Depressionen an den großen 5 Persönlichkeitszügen erkennen?

Forscher präsentierten nun einen kurzen, frei nutzbaren Fragebogen zur Einschätzung der Persönlichkeitszüge von Bewerbern, den sie auf seine Sensitivität für Symptome der Bipolaren Störung und der unipolaren Depression bei Online-Befragungen untersuchten.

Die Querschnittsstudie nutzte Selbstberichte, um den Zusammenhang zwischen angegebenen Symptomen einer affektiven Störung und den Testergebnissen in den Persönlichkeitsdimensionen zu analysieren.

Das Trait Self-Description Inventory (TSDI) wurde in einer Online-Version eingesetzt, um die Persönlichkeitszüge der Teilnehmer in folgenden Aspekten zu ermitteln:

Faktor 1: Extraversion.
Hohe Werte bei sozialen, niedrige bei eher zurückgezogenen Menschen.

Faktor 2: Neurotizismus.
Hohe Werte bei emotionaler Stabilität, weniger emotionale Stabilität bei niedrigen Werten.

Faktor 3: Verträglichkeit.
Hohe Werte deuten eher auf freundliche und optimistische Menschen, niedrige Werte eher auf eine kritische und aggressive Persönlichkeit.

Faktor 4: Pflichtbewusstsein.
Hohe Werte finden sich bei sorgfältigen, fleißigen Menschen, niedrige Werte eher bei impulsiven und weniger organisierten Menschen.

Faktor 5: Offenheit für neue Erfahrungen bzw. Imagination.
Menschen mit niedrigen Werten tendieren eher zu traditionellem und konventionellem Verhalten.

Mit dem Fragebogen QIDS-16 wurden depressive Symptome ermittelt, mit den Fragebögen MDQ und HCL-16 hypomanische Symptome. Die Analyse der Befragungsergebnisse schätzte ein, welche Persönlichkeitszüge ab welchem Wert besonders gut auf auffällige Ergebnisse in den psychiatrischen Fragebögen schließen ließen.

Online-Fragebögen für Screening auf affektive Symptome und Neurotizismus und Co.

Mit der Online-Adaptation des öffentlichen TSDI-Fragebogens zu den großen 5 Persönlichkeitszügen schätzten die Wissenschaftler die affektiven Symptome von 8 470 Personen im durchschnittlichen Alter von 25,6 Jahren (+/- 7,0) ein. 4 717 der Teilnehmer waren Männer.

Neurotizismus war der robusteste Prädiktor für depressive (QIDS-16) und hypomanische (MDQ) Symptome (beide p < 0,0001).

Extraversion war der robusteste Prädiktor für hypomanische Symptome gemäß HCL-16 (p < 0,0001).

Die Analyse deutete auf einen Grenzwert für Neurotizismus von etwa 58 bei Männern und 70 bei Frauen hin, ab dem die Teilnehmer eher als vulnerabel gegenüber affektiven Störungen klassifiziert werden könnten.

Hohe Werte bei Faktor 2 (Neurotizismus) könnten auf Risiko für affektive Störung deuten

Die Online-Befragung ermöglichte somit ein Screening auf Risiken für affektive Störungen durch die Ermittlung klassischer Persönlichkeitszüge. Ob diese Methode sinnvoll bei Gruppen mit bekannten weiteren Risikofaktoren, etwa affektiven Störungen bei nahen Verwandten, angewandt werden kann, um eine Früherkennung gefährdeter Menschen und präventive Interventionen zu ermöglichen, werden weitere Untersuchungen zeigen müssen.

© Alle Rechte: DeutschesGesundheitsPortal.de

Original Titel:
Relationship of a big five personality questionnaire to the symptoms of affective disorders

Autor:
Wilks, Zoe, Adam M. Perkins, Andrew Cooper, Bartlomiej Pliszka, Anthony J. Cleare, and Allan H. Young. “Relationship of a Big Five Personality Questionnaire to the Symptoms of Affective Disorders.” Journal of Affective Disorders 277 (December 2020): 14–20. https://doi.org/10.1016/j.jad.2020.07.122.