Kann COVID-19 einen Tinnitus auslösen?

Diese Therapieverfahren sollen das Piepen im Ohr lindern

Seit dem Ausbruch von COVID-19 und der weltweiten Corona-Pandemie nehmen die Zahlen der Tinnitus-Betroffenen stetig zu: Ein Grund dafür sind laut einer Studie unter anderem negative Gefühle wie Stress, Frustration und Nervosität, die durch die Pandemie verstärkt werden.

Doch auch bei vielen bereits an Tinnitus leidenden Patienten haben sich die störenden Geräusche im Ohr verstärkt. Um die quälenden Störgeräusche zu behandeln, gibt es verschiedene Verfahren, die Betroffenen Linderung verschaffen können.

So auch ein relativ neues zur Selbsttherapie auf Basis einer Klangtherapie, das Betroffene bequem zu Hause anwenden können.

Der Apotheker Sebastian Lück, Leiter der Kleeblatt Apotheke in Düsseldorf-Heerdt, gibt Auskunft über die verschiedenen Therapieverfahren und eine Einschätzung ob diese Tinnitus-Patienten tatsächlich wieder zu mehr Lebensqualität verhelfen können.

Inwiefern kann die Corona-Pandemie die Entstehung eines Tinnitus fördern?

Sebastian Lück: „Wie genau ein Tinnitus entsteht, ist wissenschaftlich derzeit noch nicht exakt zu bestimmen – es wird jedoch angenommen, dass insbesondere Durchblutungsstörungen im Innenohr dafür verantwortlich sind sowie neurologische Probleme, die die Signalverarbeitung im Gehirn stören.

Als Ursachen sind unter anderem neben Entzündungen im Ohr, Lärmschäden (wie z. B. Knalltraumata) oder einem Hörsturz auch starker Stress möglich.

Eine aktuelle Studie des Tinnituszentrums der Universität Regensburg [1] ergab, dass die Tinnitusbelastung der Teilnehmer im April dieses Jahres signifikant höher war als zwei Jahre zuvor. Die Forscher vermuten, dass dies stark mit dem erlebten Corona-Stress zusammenhängt. Aufgrund der Angaben der Befragten und da ein Tinnitus häufig auch psychosomatische Ursachen haben kann, ist eine solche Annahme logisch nachvollziehbar.“

Spielt Stress hier die Hauptrolle oder greift das neuartige Virus die Hörzellen oder die Gehirnzellen (für die Weiterverarbeitung der Sinnesinformationen) an?

Sebastian Lück: „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass emotionaler Stress und Ängste in diesem Fall als Hauptursache herangeführt werden können. Hinweise auf die Annahme, das Coronavirus könne auch die Hör- oder Hirnzellen angreifen sind nicht ersichtlich.“

Was kann man in diesem Fall dagegen tun?

Sebastian Lück: „Störende Ohrengeräusche sind vielen von uns vertraut: etwa jeder Vierte litt hierzulande schon einmal darunter – doch bei manchen hält das Geräusch auch an. Ist dies für mehrere Stunden der Fall, sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden.

In den ersten 24 Stunden nach Auftreten – also im akuten Stadium – wird der Tinnitus meist mit Kortison oder anderen gefäßerweiternden Medikamenten behandelt, doch nicht immer spricht diese Methode bei den Patienten an. Für rund 340.000 Patienten im Jahr bedeutet das: Diagnose chronischer Tinnitus.“

Wie kann man vorbeugen?

Sebastian Lück: „Allgemein gibt es leider keine besonderen Maßnahmen, mit denen man einem Tinnitus vorbeugen könnte. Hilfreich ist es aber im Allgemeinen beispielsweise Stress und starken Lärm bestmöglich zu reduzieren, um die Wahrscheinlichkeit für mögliche Hörschaden gering zu halten.

Lärmschäden, die beispielsweise durch laute Arbeiten oder bei Konzert- und Disco-Besuchen entstehen, können mit Ohrstöpseln vermieden werden. Gegen Stress helfen Entspannungsübungen – wie die progressive Muskelentspannung, Yoga und regelmäßiger Sport. Dies schließt aber dennoch nicht aus, dass ein Tinnitus auftreten kann.

Bei akuten Ohrgeräuschen und Anzeichen von Hörproblemen, muss rechtzeitig ein Arzt aufgesucht werden, um Hörschäden schnell zu behandeln und einem chronischen Tinnitus entgegenzuwirken.“

Ab wann ist von einem chronischen Tinnitus die Rede und wie wird er behandelt?

Sebastian Lück: „Dauern die Beschwerden länger als drei Monate an, spricht man von einem chronischen Tinnitus - circa 12 Prozent der Bevölkerung leiden darunter. Im Mittelpunkt der Behandlung steht der Versuch, die Belastung durch die Ohrgeräusche zu lindern bzw. dem Patienten den Umgang damit zu erleichtern.

Leider ist, anders als bei einem akuten Tinnitus, der chronische nicht medikamentös behandelbar. Der Grund sind neurologische Störungen: eine krankhafte Überaktivität im Gehirn lässt es die störenden Ohrgeräusch dauerhaft wahrnehmen, auch wenn die eigentliche Ursache bereits beseitigt wurde. In diesem Stadium kommen verschiedene Behandlungsoptionen zum Einsatz.“

Welche sind das genau?
Sebastian Lück: „Neben den bereits genannten Entspannungstechniken, zu denen auch autogenes Training gehört, werden verschiedene Körpertherapien, wie das Muskel-Biofeedback angewandt. Hierbei wird die Spannung der Nacken- und Kiefermuskulatur gemessen und versucht, dem Patienten einen Zustand der Entspannung durch Rückmeldung des Geräts bewusst anzutrainieren.

Studien zeigen aber einen sehr unterschiedlichen Erfolg in Bezug auf Tinnitus. Auch Tai Chi wird bei Tinnitus eingesetzt, da es ein beliebtes Mittel gegen Stress ist und Körper und Geist ins Gleichgewicht bringen soll. Das Tinnitus-Counseling ist ein Bewältigungstraining, das den Patienten über den Tinnitus aufklärt und Hilfestellung im alltäglichen Umgang mit den Ohrgeräuschen gibt, um dadurch Ängste abzubauen und ein erträgliches Leben damit zu ermöglichen.

Darüber hinaus werden auch verhaltenstherapeutische Ansätze herangezogen: dazu gehört beispielsweise die kognitive Verhaltenstherapie (KVT). Diese beruht auf der Annahme, dass die Beschwerden vielmehr mit dem Umgang mit den Ohrgeräuschen zusammenhängen, als mit ihrer Lautstärke. Daher zielt die Therapie darauf ab, eine positive Verhaltensänderung herbeizuführen, um die Wahrnehmung des Patienten von den quälenden Geräuschen wegzulenken.

Eine weitere Behandlungsmethode ist die sogenannte Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) – bestehend aus Counseling, psychotherapeutischen sowie medizinischen Maßnahmen. Sie soll Patienten beibringen die störenden Ohrgeräusche zu verdrängen und mit dem Tinnitus einhergehende Ängste abzubauen.

Allerdings ist sie nicht dauerhaft sinnvoll, da oft bei vielen Patienten der unangenehme Ton leider über die Jahre immer lauter wird. Sehr vielversprechend ist jedoch ein neurowissenschaftlicher Ansatz zur Behandlung.“

Wie kann dieser Ansatz Tinnitus-Patienten helfen?

Sebastian Lück: „Die Wissenschaft ist sich einig darüber, dass die an der Entstehung und dem Fortbestand beteiligten neuronalen Prozesse in den auditorischen Zentren unseres Gehirns liegen. Dadurch können nicht nur bestimmte Frequenzen schlechter wahrgenommen werden, sondern es werden auch fehlgeleitete Prozesse aktiviert, die dem Gehirn Informationen übermitteln, die letztlich zu einer Wahrnehmung des Tinnitus führen.

Eine spezielle Musiktherapie, das sogenannte Tailor-Made Notched Music Training (TMNMT), zielt genau auf diese Ursachen ab und kann Patienten Linderung verschaffen. Dabei wird die Musik gefiltert, so dass der Patient im Bereich seiner individuellen Tinnitus-Frequenz keine Töne mehr wahrnimmt und die überaktiven Nervenzellen, die die Ohrgeräusche erzeugen, nicht mehr stimuliert werden können.

Studien dazu haben gezeigt, dass sowohl die empfundende Lautstärke als auch die Aktivität der Nervenzellen signifikant verringert werden konnte. Das Therapiesystem tinniwell zum Beispiel basiert auf einer Kombination des TMNMT-Verfahrens und einer Wärmetherapie.

Das System funktioniert mittels spezieller In-Ear-Kopfhörer mit eingebauter, individuell regulierbarer Heizung und kann bequem zuhause angewandt werden. Bei regelmäßiger Anwendung (täglich circa zwei Stunden) kann es nach wenigen Monaten Tinnitus-Patienten helfen, ihren Tinnitus spürbar zu reduzieren, so dass sie wieder dauerhaft ohne die Beschwerden leben können.“

Gut zu wissen:
Sebastian Lück ist Apotheker und Leiter der Kleeblatt Apotheke in Düsseldorf-Heerdt.

Weitere Informationen erhalten Sie auch direkt bei der Resaphene Suisse AG unter www.resaphene.ch


[1] https://www.tinnituszentrum-regensburg.de/index.php/89-eine-neue-wissenschaftliche-publikation-am-tinnituszentrum-regensburg