ANCA-assoziierte Vaskulitis: Neue Standardmedikamente und weniger Kortison

Informationen der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh)

Für Patienten mit einer ANCA-assoziierten Vaskulitis, einer der schwersten rheumatischen Erkrankungen, haben sich die Therapieoptionen in den letzten Jahren verbessert.

Bei diesen seltenen Erkrankungen halten auch Biologika-Therapien Einzug.

Diese gelten nicht selten als neuer Therapiestandard. Die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh) trägt den neuen Behandlungsempfehlungen aus den USA Rechnung. Updates der europäischen und deutschen Empfehlungen und Leitlinien sind auf der Basis neuer Ergebnisse aus Therapiestudien in Vorbereitung.

Bei der ANCA-assoziierten Vaskulitis, an der in Deutschland wenige Tausend Menschen leiden, greift das Immunsystem im ganzen Körper die kleinen Blutgefäße an.

„Bei diesen Erkrankungen führen bestimmte fehlgebildete Antikörper aus der Gruppe der „ANCA“-Autoantikörper zu einer Aktivierung von Abwehrzellen, den neutrophilen Granulozyten, die dann eine Gefäßentzündung (=Vaskulitis) und Schädigung des Gefäßsystems in verschiedenen Organen wie etwa der Niere herbeiführt.

Dies wiederum kann die Durchblutung und Funktion lebenswichtiger Organe gefährden, berichtet Professor Dr. med. Andreas Krause, Präsident der DGRh und Chefarzt am Immanuel Krankenhaus Berlin. „Häufig werden die Nieren angegriffen, aber auch Herz und Lungen, Nervensystem und Magen-Darm-Trakt, Hals, Nase, Ohren, Augen oder die Haut können beteiligt sein.“

Experten unterscheiden drei Formen von ANCA-assoziierten Vaskulitiden:

  • die Granulomatose mit Polyangiitis (GPA),
  • die Mikroskopische Polyangiitis (MPA) und
  • die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA).

Allen Formen ist das Auftreten einer Vaskulitis gemeinsam.

Unbehandelt kann ein Krankheitsschub innerhalb weniger Monate zum Tod führen.

Therapeutisch werden Glukokortikoide („Kortison“) und andere Mittel eingesetzt, die das Immunsystem hemmen, die Patienten aber oft anfälliger gegenüber Infektionen machen.

Zur Therapie der GPA und MPA wird heute insbesondere das Medikament Rituximab eingesetzt.

Dieses Medikament ist ein Biologikum, also ein gentechnisch hergestellter therapeutischer Antikörper, der B-Zellen zerstört. Diese spielen in dem Entzündungsprozess eine entscheidende Rolle.

Es wird bei der GPA und MPA eingesetzt, um Krankheitsschübe zu beenden („Remissionsinduktion“) und neue Schübe zu verhindern („Remissionserhaltung“).

„Auf das früher eingesetzte Zytostatikum Cyclophosphamid, das die Blutbildung im Knochenmark hemmt und zur Unfruchtbarkeit führen kann, kann heute oft verzichtet werden“, so Professor Krause.

Auch ein Plasmaaustausch sei heute nur noch in schweren Ausnahmefällen notwendig, zum Beispiel bei rasch fortschreitenden Nierenschäden trotz medikamentöser Therapie.

Für die EGPA steht außerdem das im November 2021 neu zugelassene Biologikum Mepolizumab zur Verfügung. Es hemmt das Wachstum einer spezielle Abwehrzellpopulation, den sogenannten eosinophilen Granulozyten, die bei der EGPA eine wichtige Rolle spielen.

Um einen für die Patienten lebensgefährlichen Krankheitsschub möglichst rasch zu beenden, wurden früher vorübergehend hochdosierte Glukokortikoide eingesetzt.

Inzwischen wird eine niedrigere Dosis verwendet, die in einer Studie (PEXIVAS) zu gleich guten Ergebnissen geführt hat.

Im Januar dieses Jahres wurde in Europa zudem der Wirkstoff Avacopan zugelassen. Professor Krause erklärt: „Das neue Medikament hemmt die Aktivierung des Komplement-Systems, das an der ANCA-assoziierten Vaskulitis beteiligt ist.“

In einer klinischen Studie (ADVOCATE) hat Avacopan vor allem den Kortisonbedarf für die Remissionsinduktion deutlich gesenkt. Nach Einschätzung des Experten werden die Patienten zwar auch in Zukunft nicht ganz ohne Glukokortikoide auskommen, mögliche Nebenwirkungen wie Infektionen und Diabetes könnten jedoch deutlich begrenzt werden.

Im vergangenen Jahr haben amerikanische Experten neue Empfehlungen zur Therapie der ANCA-assoziierten Vaskulitis formuliert. Diese Empfehlungen wurden jetzt durch ein Team um Professor Dr. med. Julia Holle vom Rheumazentrum Schleswig-Holstein Mitte in Neumünster in der Zeitschrift für Rheumatologie (2022; 81: 280-285) vorgestellt,

„Für die Patienten ist der erfolgreiche Einsatz der Biologika und die Senkung der Glukokortikoid-Dosis ein wichtiger Fortschritt“, sagt Frau Professor Holle.

Viele Fragen seien jedoch noch offen.

So bleibe unklar, wie lange die Erhaltungstherapie im Anschluss an eine Remission dauern muss. Auch hier gehe es darum, die Patienten möglichst vor den Nebenwirkungen der Medikamente zu schützen, ohne die Kontrolle über das Erkrankungsgeschehen zu verlieren.

„Allerdings berücksichtigen die im Jahr 2021 publizierten amerikanische Empfehlungen nicht die 2022 neu zugelassenen Substanzen wie Avacopan“, erklärt Professor Holle. Es sind also bereits Updates der Therapieempfehlungen und Guidelines erforderlich. An einem Update der europäischen und deutschen Empfehlungen und Leitlinien wird zurzeit gearbeitet.

Über die DGRh
Die DGRh ist mit mehr als 1600 Mitgliedern die größte medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft in Deutschland im Bereich der Rheumatologie. Sie repräsentiert hierzulande seit 90 Jahren die rheumatologische Wissenschaft und Forschung und deren Entwicklung.

Als gemeinnütziger Verein arbeitet die DGRh unabhängig und ohne Verfolgung wirtschaftlicher Ziele zum Nutzen der Allgemeinheit.

Weitere Informationen erhalten Sie auch direkt unter Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie e.V. - www.dgrh.de

Literatur:
Julia U. Holle, Bernhard Hellmich & Frank Moosig. Therapie-Update der ANCA-assoziierten Vaskulitiden: Granulomatose mit Polyangiitis und Mikroskopische Polyangiitis. Zeitschrift für Rheumatologie 2022; 81: 280-285