Lange Arbeitszeiten von Eltern erhöhen das Risiko für Übergewicht ihrer Kinder

Kinder aus Familien mit mittlerem und hohem Einkommen besonders betroffen

Lange Arbeitszeiten von Müttern und Vätern erhöhen das Risiko für ihre Kinder, im Vorschulalter an Übergewicht oder Fettleibigkeit zu leiden. Das ist das Ergebnis einer von WZB-Forscherin Jianghong Li geleiteten Studie, die die Auswirkung elterlicher Arbeitszeiten auf das Körpergewicht von Kindern untersucht hat. Die Studie nutzt Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für 2.400 Kinder im Alter zwischen 0 und 6 Jahren.

Das Vorschulalter ist eine entscheidende Entwicklungsphase für das Körpergewicht von Kindern. Die Studie zeigt, dass Kinder von Müttern, die 35 Stunden oder mehr pro Woche arbeiten, einem erhöhten Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit ausgesetzt sind – im Vergleich zu Kindern, deren Mütter nicht erwerbstätig sind.

Das Risiko erhöht sich, wenn auch die Väter lange arbeiten (55 Stunden oder mehr pro Woche). In diesem Fall wirken sich bereits kürzere Arbeitszeiten der Mutter (24-34 Wochenstunden) negativ auf das Körpergewicht der Kinder aus. Dies zeigt, dass auch die Arbeitszeit von Vätern einen wesentlichen Einfluss auf die Gesundheit von Kindern hat. Die Studie ist eine von wenigen Untersuchungen, die den Effekt der mütterlichen und väterlichen Arbeitszeiten gemeinsam betrachtet.

WZB-Forscherin Jianghong Li vermutet, dass die Ernährungsqualität und das körperliche Aktivitätsniveau von Vorschulkindern mit längeren Arbeitszeiten der Mütter sinken – ein Zusammenhang, den Studien bereits für Deutschland und andere Industrieländer nachgewiesen haben. Eine andere Ursache könnten unterbrochene Schlafrhythmen bei Kindern sein, deren Eltern lange arbeiten. Um diese Erklärungsansätze empirisch zu belegen, seien aber umfangreichere Daten notwendig, so Li.

Der negative Einfluss langer Arbeitszeiten auf das Körpergewicht wurde hauptsächlich bei Kindern aus Familien mit mittlerem und hohem Einkommen festgestellt. Bei Familien mit niedrigem Einkommen lässt sich dagegen dieser Zusammenhang nicht nachweisen.

„Eltern mit niedrigem Einkommen sind vielleicht weniger informiert, welchen Einfluss Ernährung und körperliche Bewegung auf das Risiko für Übergewicht und Fettleibigkeit ihrer Kinder haben. Deshalb ändern weniger oder mehr Arbeitsstunden an der Ernährungsqualität oder der körperlichen Betätigung möglicherweise nicht viel. Es ist auch denkbar, dass in einkommensschwächeren Familien die Vorteile eines höheren Verdiensts durch längere Arbeitsstunden die negativen Folgen des Zeitmangels ausgleichen“, erklärt Li.

Ein Kita-Besuch mindert das Risiko für Übergewicht oder Fettleibigkeit hingegen unabhängig vom sozialen Hintergrund der Kinder. „Staatliche Investitionen zur Verbesserung der Kitas, insbesondere der Ernährungsqualität und angemessener körperlicher Bewegung können erwerbstätige Eltern bei ihren Erziehungsaufgaben unterstützen“, sagt Li.

Die Forscher*innen analysierten Langzeitdaten zum Body-Mass-Index (BMI) von Kindern und den Arbeitsstunden ihrer Eltern. Es wurden Daten von 2.413 Kindern im Alter zwischen 0 und 1, 2 und 3 sowie 5 und 6 ausgewertet, die zwischen 2003 und 2014 im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) erhoben wurden.

Quelle:
Mitteilung des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung vom 2. August 2019     

Die Studie ist im Journal of Epidemiology and Community Health erschienen:

Jianghong Li, Till Kaiser, Matthias Pollmann-Schult, and Lyndall Strazdins: Long work hours of mothers and fathers are linked to increased risk for overweight and obesity among preschool children: Longitudinal evidence from Germany