Wie kommt‘s zum Friendly Fire in der Bauchspeicheldrüse?

Bei Diabetes vom Typ-1 bekämpft der Körper die eigenen Insulin produzierenden Zellen.

Wissenschaftler am Helmholtz Zentrum München, Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung, und ihre Kollegen von der Technischen Universität München haben nun im Fachjournal ‚PNAS‘ einen Mechanismus vorgestellt, wie das Immunsystem diesen Angriff vorbereitet. Durch einen gezielten Eingriff konnten die Wissenschaftler diesen Prozess hemmen und hoffen nun auf neue therapeutische Möglichkeiten.

Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunreaktion, bei der der Körper die eigenen Betazellen der Bauchspeicheldrüse zerstört.* Was genau zu dieser Fehlfunktion führt, versuchen Forscherinnen und Forscher nach wie vor herauszufinden, um therapeutisch in die Prozesse eingreifen zu können. Ein Team um Dr. Carolin Daniel, Gruppenleiterin am Institut für Diabetesforschung (IDF) des Helmholtz Zentrums München, hat nun einen weiteren Baustein zur Lösung des Rätsels hinzugefügt.

„Wir konnten erstmalig zeigen, dass bei betroffenen Kindern zu Beginn der Autoimmunreaktion eine erhöhte Anzahl von speziellen Immunzellen im Blut zu finden ist“, so Studienleiterin Daniel. Sie und ihr Team hatten zuvor Blutproben von Kindern untersucht, die IDF-Direktorin Prof. Anette-Gabriele Ziegler im Rahmen von großen Kohortenstudien gewonnen hatte.

Den Autoren zufolge handelt es sich bei den Immunzellen um sogenannte Insulin-spezifische, follikuläre T-Helferzellen (TFH). Sie kommen unter anderem in den Lymphknoten vor und leiten Angriffe des Immunsystems ein, indem sie beispielsweise die Produktion von Antikörpern durch die B-Zellen fördern. Nun fanden die Wissenschaftler sie vermehrt in den Proben der Kinder mit Inselzellautoimmunität – einem Frühstadium des Typ-1-Diabetes.

Auf der Suche nach den Ursachen für den plötzlichen Anstieg der TFH-Zellen deckten die Wissenschaftler einen bisher unbekannten Signalweg auf. „Unsere Analysen ergaben, dass ein als miRNA92a** bekanntes Molekül den Anstoß für eine Kette von molekularen Ereignissen gibt, an deren Ende der Anstieg dieser Immunzellen steht“, erklärt die IDF-Doktorandin Isabelle Serr den komplexen Sachverhalt. „Auf dem Weg dorthin verhindert miRNA92a vor allem, dass wichtige Signalproteine wie KLF2 und PTEN gebildet werden.“

Einsatz in Therapie und Diagnostik denkbar
Um zu überprüfen, ob sich dieser neu entdeckte Mechanismus zur therapeutischen Einflussnahme eignet, untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Wirkung eines sogenannten antagomir, ein Molekül, das spezifisch an miRNA92a bindet und deren Wirkung blockiert. In einem Versuchsmodell von Typ-1-Diabetes und im humanisierten Modell führte diese Behandlung zu einer deutlich geringeren Autoimmunreaktion.

„Die gezielte Inhibierung von miRNA92a oder des nachgeschalteten Signalweges könnten neue Möglichkeiten für die Prävention von Typ-1-Diabetes eröffnen“, blickt Prof. Dr. Ziegler voraus. „Zudem könnten die Insulin-spezifischen TFH-Zellen als Biomarker dienen, um den Behandlungserfolg der von uns durchgeführten Insulin-Impfungen zu untersuchen.“


Weitere Informationen
* Bei Typ-1-Diabetes gehen Insulin-produzierende Zellen in den Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse zu Grunde, da das körpereigene Immunsystem sie angreift und zerstört (Bildung von Inselautoantikörpern gegen Strukturen der Betazellen). Dadurch kann die Bauchspeicheldrüse den Körper nicht mehr ausreichend mit Insulin versorgen. Hat die Zerstörung der Betazellen ein bestimmtes Maß überschritten, bricht die Erkrankung aus und aufgrund des Insulinmangels steigen die Blutzuckerwerte.

** microRNAs (miRNAs) sind nichtkodierende RNAs, die eine wichtige Rolle bei der Genregulation und insbesondere beim Stilllegen von Genen spielen. Im Allgemeinen weisen sie eine Größe von 21 bis 23 Nukleotiden auf, sind also sehr kurz - daher der Name.


Hintergrund:
In vorangegangenen Studien hatten die Forscher um Dr. Carolin Daniel bereits gezeigt, dass eine Impfung mit optimierten Insulin-Bausteinen (sogenannten Mimetopen) die Immunreaktion gegen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse bremsen kann. Vor allem die regulatorische T-Zellen des Immunsystems trugen dazu bei, die Selbstzerstörung zu verhindern.

Original-Publikation:
Serr, I. et al. (2016). miRNA92a targets KLF2 and PTEN signaling to promote human T follicular helper precursors in T1D islet autoimmunity, DOI: 10.1073/pnas.1606646113


Das Helmholtz Zentrum München
verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören. Das Helmholtz Zentrum München ist Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung e.V. 

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Die Technische Universität München (TUM)
ist mit mehr als 500 Professorinnen und Professoren, rund 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und 40.000 Studierenden eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert die TU München von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit einem Campus in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.

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Das Institut für Diabetesforschung (IDF)
befasst sich mit der Entstehung und Prävention von Typ 1 Diabetes und Typ 2 Diabetes als Spätfolge eines Gestationsdiabetes. Ein vorrangiges Projekt ist die Entwicklung einer Insulin-Impfung gegen Typ 1 Diabetes. In groß angelegten Langzeitstudien untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und Immunsystem für die Pathogenese von Typ 1 Diabetes. Mit den Daten der Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste prospektive Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnten Risikogene sowie Antikörperprofile identifiziert werden. Diese lassen Vorhersagen über Entwicklung und Ausbruch von Typ 1 Diabetes zu und werden die Klassifizierung und den Diagnosezeitpunkt verändern. Das IDF ist Teil des Helmholtz Diabetes Center (HDC).

Weitere Informationen erhalten Sie unter www.helmholtz-muenchen.de/idf

Das Deutsche Zentrum für Diabetesforschung e.V. (DZD)
ist eines der sechs Deutschen Zentren der Gesundheitsforschung. Es bündelt Experten auf dem Gebiet der Diabetesforschung und verzahnt Grundlagenforschung, Epidemiologie und klinische Anwendung. Ziel des DZD ist es, über einen neuartigen, integrativen Forschungsansatz einen wesentlichen Beitrag zur erfolgreichen, maßgeschneiderten Prävention, Diagnose und Therapie des Diabetes mellitus zu leisten. Mitglieder des Verbunds sind das Helmholtz Zentrum München – Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt, das Deutsche Diabetes-Zentrum DDZ in Düsseldorf, das Deutsche Institut für Ernährungsforschung DIfE in Potsdam-Rehbrücke, das Institut für Diabetesforschung und Metabolische Erkrankungen des Helmholtz Zentrum München an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen und das Paul-Langerhans-Institut Dresden des Helmholtz Zentrum München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden, assoziierte Partner an den Universitäten in Heidelberg, Köln, Leipzig, Lübeck und München sowie weitere Projektpartner.

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