Diabetes mit Magenoperation oder Lifestyle-Änderung stoppen
Endokrinologen mahnen: Ohne anderen Lebensstil geht es nicht
Was Diäten in vielen Fällen nicht schaffen, gelingt häufig durch eine Operation:
Eine Magenverkleinerung oder ein Magenbypass können das Körpergewicht deutlich senken und einen Typ-2-Diabetes im besten Falle beseitigen, oder aber dessen Einstellung deutlich verbessern. Ob der Stoffwechsel auch langfristig normalisiert bleibt, müssen jedoch erst weitere Langzeit-Studien zeigen.
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) hält es für wichtig, dass Patienten nach der Magenoperation ihren Lebensstil – also Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten – ändern, um das neue Gewicht und eine verbesserte Diabeteskontrolle auf Dauer zu halten.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts erkranken 7,2 Prozent der Deutschen im Verlauf ihres Lebens an Diabetes. Bei den meisten ist es der Typ 2, der neben einer gestörten Insulinproduktion immer auch durch einen zunehmenden Wirkungsverlust des Hormons Insulin verursacht wird.
„Die Erkrankung ist häufig Folge einer jahrelangen qualitativen und quantitativen Überernährung in Kombination mit Bewegungsmangel und passiver Lebensweise, die zur Fettleibigkeit und bei Menschen mit einer polygenetischen Veranlagung zum Diabetes führt“, erläutert Professor Dr. med. Andreas Schäffler, Direktor der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg (UKGM), Standort Gießen.
Eine Diät mit Lebensstilmodifikation könnte einen Typ-2-Diabetes im Prinzip heilen oder zumindest langfristig hinauszögern.
„Den allermeisten Menschen gelingt es jedoch nicht, ihr Körpergewicht auf Dauer um mehr als fünf bis zehn Prozent zu senken und die Lebensweise nachhaltig zu verändern“, sagt Schäffler: „Dies reicht in der Regel nicht aus, um den Blutzucker zu normalisieren.“
Eine kürzlich in JAMA Surgery veröffentlichte Studie bestätigt diese Erfahrung.
Dort gab es drei Gruppen.
In einer folgten die Patienten einer strengen Diät. In der zweiten wurde in einer Operation ein Magenbypass angelegt, bei dem der Speisebrei über einen verkleinerten Magen in eine untere Dünndarmschlinge geleitet wird. In der dritten Gruppe wurde der Magen durch ein einstellbares Band verkleinert.
Ein Vorteil der Studie war die relativ lange Nachbeobachtungsphase von drei Jahren, ein Nachteil die doch relativ geringe Fallzahl von insgesamt 61 Studienteilnehmern.
Keiner der Teilnehmer, die über ein Jahr einer intensiven Diät folgten, konnte am Ende der Nachbeobachtung auf seine Blutzuckermedikamente verzichten. Erfolgreicher waren die Patienten, die sich einer Operation unterzogen. Die größte Wirkung erzielt ein Magenbypass.
„Die Patienten verloren fast 30 Prozent ihres Körpergewichts und zwei Drittel konnten in der Studie auf Diabetesmedikamente verzichten“, berichtet der Experte aus Gießen. Mit dem Magenband verloren die Patienten laut Schäffler weniger als 20 Prozent an Gewicht. Hier konnte auch noch nach drei Jahren ein Drittel auf Diabetesmedikamente verzichten.
Da jede Operation mit gewissen Risiken einhergeht, sind Magenband- und -bypass nur sinnvoll, wenn die Gewichtsreduktion auf Dauer erhalten bleibt. Dies erfordert eine dauerhafte Umstellung der Ernährung und der Lebensweise. Erstere wird teilweise durch den kleineren Magen erzwungen, der die Größe der Portionen beschränkt.
„Die Patienten müssen aber zusätzlich auf eine ausgewogene Ernährung achten“, sagt DGE-Mediensprecher Professor Dr. med. Matthias M. Weber von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Dies gelte insbesondere beim Magenbypass, der die Strecke des Darms verkürzt, wo Nahrungsmittel und Vitamine aufgenommen werden.
Wenn diese Umstellung gelingt, kann die Operation langfristig erfolgreich sein. In der US-Studie waren die Patienten auch nach drei Jahren noch vom Diabetes befreit.
„Die Untersuchung gehört zu einer Reihe von Studien, die in den letzten Jahren die metabolische Wirksamkeit der bariatrischen Operationen bestätigt haben“, sagt Weber. Das Besondere an der Studie war, dass auch zahlreiche Patienten erfolgreich mit einer Operation behandelt wurden, deren Fettleibigkeit mit einem BMI von 30 bis 35 noch nicht allzu weit fortgeschritten ist.
Der DGE-Mediensprecher hält diese Ergebnisse zwar für vielversprechend, bleibt in seiner Empfehlung aber zurückhaltend. „Wir wissen heute nicht, wie der Körper nach zehn oder 20 Jahren auf die bariatrische Operation reagiert, sodass bis zum Vorliegen von mehr Erfahrung die Operation auch weiterhin nur Patienten mit schwerem Übergewicht und begleitenden Risikofaktoren angeboten werden sollte.“
Endokrinologie
ist die Lehre von den Hormonen, Stoffwechsel und den Erkrankungen auf diesem Gebiet. Hormone werden von endokrinen Drüsen, zum Beispiel Schilddrüse oder Hirnanhangdrüse, aber auch bestimmten Zellen in Hoden und Eierstöcken, „endokrin“ ausgeschüttet, das heißt nach „innen“ in das Blut abgegeben. Im Unterschied dazu geben „exokrine“ Drüsen, wie Speichel- oder Schweißdrüsen, ihre Sekrete nach „außen“ ab.
Wer gern mehr erfahren möchte, schaut bitte direkt unter www.endokrinologie.net
Literatur:
Courcoulas AP, Belle SH, Neiberg RH, Pierson SK, Eagleton JK, Kalarchian MA, DeLany JP, Lang W, Jakicic JM. Three-Year Outcomes of Bariatric Surgery vs Lifestyle Intervention for Type 2 Diabetes Mellitus Treatment: A Randomized Clinical Trial. JAMA Surgery 2015; doi: 10.1001/jamasurg.2015.1534