Neu entdeckte Erkrankung liefert Ideen, Mukoviszidose besser zu behandeln
Die Atemwegserkrankung Mukoviszidose ist die häufigste schwer verlaufende Erbkrankheit weltweit.
in Forscherteam der Universitäten Münster und Regensburg hat jetzt eine Erkrankung entdeckt, aus der sich ein besseres Verständnis der Mukoviszidose und damit neue Wege für ihre Therapie ergeben könnten.
Die Studie ist im „Journal of Medical Genetics“ erschienen.
Mukoviszidose ist die häufigste schwer verlaufende Erbkrankheit weltweit. Jedes Jahr werden mehrere Hundert Familien mit dieser Diagnose konfrontiert – und bis heute gibt es keine Heilung für die Erkrankung, die in erster Linie die Atemwege betrifft.
Neben einer unterstützenden Behandlung bleibt als letzter Ausweg häufig nur eine Lungentransplantation, um das Leben der Patienten zu retten.
Ein Forscherteam der Universitäten Münster und Regensburg hat nun eine Erkrankung entdeckt, aus der sich ein besseres Verständnis der Mukoviszidose und damit neue Wege für ihre Therapie ergeben könnten. Die Studie ist in der Fachzeitschrift „Journal of Medical Genetics“ erschienen.
Ursache der Mukoviszidose ist eine genetische Veränderung des Cystic-Fibrosis-Transmembrane-Conductance-Regulator-Gens, kurz CFTR. Dieses stellt den Bauplan dar für einen Chloridkanal an der Oberfläche von Körperzellen.
Im Normalfall ermöglicht der Kanal die Anreicherung von Salz und Wasser auf der Oberfläche der Luftwege, wodurch eine kontinuierliche Reinigung der Atemwege sichergestellt wird. Ein Defekt im CFTR-Kanal verhindert den Transport von Chloridionen und damit die Befeuchtung der Luftwege. Als Folge kommt es bei den Betroffenen zur Bildung eines zähen Atemwegsschleims, der die Luftwege verschließt – den Patienten fehlt buchstäblich die Luft zum Atmen.
Die Forschergruppe um Prof. Dr. Thorsten Marquardt von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) entdeckte nun eine Erkrankung, bei der ein anderer Chloridkanal mit dem Namen TMEM16A nicht funktioniert. Dieser ist ebenfalls in den Zellen der Luftwege vorhanden.
In Zusammenarbeit mit dem von Prof. Dr. Karl Kunzelmann geleiteten Physiologischen Labor der Universität Regensburg wurden die zellulären Auswirkungen der neu entdeckten Erkrankung untersucht, die zu einem völligen Funktionsverlust des TMEM16A-Kanals führt.
Überrascht stellten die Forscher fest, dass ohne TMEM16A auch der CFTR-Kanal nicht mehr funktioniert. Das Aufregende daran: Die Wissenschaftler sind sich sicher, dass sich die neuen Erkenntnisse auch für die Behandlung von Mukoviszidose nutzen lassen.
„Zu unserem Erstaunen zeigen Kinder, die am TMEM16A-Defekt leiden, keinerlei Atemwegssymptome. Bei ihnen führt ein Funktionsverlust von CFTR bei gleichzeitiger Abwesenheit der TMEM16A-Funktion offensichtlich nicht zu einer Mukoviszidose“, sagt Dr. Julien Park, Erstautor der Studie und Mitarbeiter bei Thorsten Marquardt in der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums Münster.
Hierzu passend konnte die Arbeitsgruppe um Karl Kunzelmann in Tierexperimenten zeigen, dass der doppelte Funktionsverlust von TMEM16A und CFTR keine Lungenerkrankung in Mäusen hervorruft.
Zusammengenommen werfen diese überraschenden Ergebnisse eine wichtige Frage auf: Könnte die medikamentöse Hemmung von TMEM16A die Atemwegssymptome von Mukoviszidose-Kranken verbessern?
Eine deutliche Unterdrückung der Schleimproduktion und Schleimsekretion durch Hemmung von TMEM16A wurde in experimentellen Voruntersuchungen bereits gezeigt.
Diesen Ansatz wollen die Forscher nun mit weiteren Arbeiten vertiefen: „Als nächsten Schritt planen wir klinische Studien, um die mögliche Behandlung der Mukoviszidose mit TMEM16A-Hemmern zu bewerten“, blickt Karl Kunzelmann bereits nach vorn
Quelle:
Mitteilung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vom 4. Juni 2020
Originalpublikation:
J. Park et al. (2020): TMEM16A deficiency: a potentially fatal neonatal disease resulting from impaired chloride currents. Journal of Medical Genetics; DOI: 10.1136/jmedgenet-2020-106978
Weitere Informationen:
https://jmg.bmj.com/content/early/2020/05/28/jmedgenet-2020-106978
Originalpublikation in „Journal of Medical Genetics”
https://www.medizin.uni-muenster.de/cdg/startseite Forschergruppe Prof. Thorsten Marquardt an der WWU