Alzheimer: Forscher konzentrieren sich auf Tau-Proteine im Gehirn
Eine internationale Umfrage der Harvard Medical School zeigt, dass Alzheimer nach Krebs die am meisten gefürchtete Krankheit ist.
Die Mehrheit der Befragten würde sofort einen Arzt konsultieren, wenn sich Krankheitssymptome wie Gedächtnisstörungen oder Verwirrtheit bei ihnen bemerkbar machen. Leider waren die Befragten aber nicht umfassend informiert: Viele waren der Ansicht, dass es bereits in ganz frühen Stadien aussagekräftige Testverfahren gebe und dass Morbus Alzheimer inzwischen wirksam behandelt werden könne.
Beides trifft bis heute leider nicht zu. Zwar gibt es Medikamente, doch diese können den Krankheitsverlauf nur zeitweise verzögern. Auch die Diagnoseverfahren sind erst nach Ausbruch der ersten Symptome eindeutig.
Doch um wirksame Medikamente zu entwickeln, die Alzheimer wirklich stoppen können, muss erst die Ursache des Ganzen gefunden werden. Inzwischen sind die Forscher wieder einen Schritt weiter: Sie konzentrieren sich auf die Verbreitung so genannter Tau-Proteine im Gehirn, die in den Nervenzellen Klumpen bilden und so zum Zelltod führen sowie auf Eiweiß-Ablagerungen zwischen den Nervenzellen, die die Kommunikation der Zellen unterbrechen.
Der Unterschied zwischen Demenz und Alzheimer
Demenz ist der Oberbegriff für Erkrankungen, die mit einem Verlust der geistigen Funktionen einhergehen und dazu führen, dass alltägliche Aktivitäten nicht mehr eigenständig durchgeführt werden können. Morbus Alzheimer ist die häufigste Form der Demenz. Sie ist eine chronisch fortschreitende, unaufhaltbare organische Hirnveränderung. Allein in Deutschland sind über eine Million Menschen davon betroffen. Das Risiko steigt mit zunehmendem Alter.
Diagnose – ab wann und wie möglich?
Um einen Verdacht auf Alzheimer zu bestätigen oder auszuschließen, ist eine gründliche Diagnose erforderlich – mit Tests zur Früherkennung von Demenzen (zum Beispiel den Mini Mental Status Test MMST), ein Gespräch über die Krankengeschichte und eine körperliche Untersuchung des Patienten sowie Blut- und Urinuntersuchungen im Labor, um Infektionen und andere Krankheiten auszuschließen.
Zur Diagnosesicherung und Differentialdiagnose sollte ein Neurologe hinzugezogen werden, der spezielle neuropsychologische Tests (z.B. CERAD, ADAS-cog oder SIDAM) durchführt und bildgebende Verfahren wie Elektroenzephalogramm (EEG), Computer-Tomogramm (CT) oder Kernspin-Tomogramm (MRT) anwendet. Damit können stumme Infarkte oder Tumore als Ursache ausgeschlossen werden.
Stadien der Alzheimer-Krankheit
Stadium 1:
Zu Beginn der Erkrankung sind Alzheimer-Patienten oft energielos und verlieren an Spontaneität. Sie zeigen leichte Gedächtnisstörungen und Gemütsschwankungen, lernen und reagieren langsamer. Der Gedächtnisverlust beginnt, sich auf die Arbeit auszuwirken, da die Patienten häufig durcheinander sind, schnell vergessen und Dinge falsch beurteilen.
Stadium 2:
Der Patient kann zwar noch alleine leichte Aufgaben erledigen, braucht aber bei der Bewältigung komplizierterer Dinge Hilfe. Sprache und Verständnis werden langsamer. Patienten können sich außerhalb ihres Hauses verirren oder vergessen im Restaurant, die Rechnung zu bezahlen.
Da sie häufig noch merken, dass sie die Kontrolle verlieren, werden viele Alzheimer Patienten in diesem Stadium depressiv. Sie können sich an lange zurückliegende Ereignisse noch gut erinnern. Im fortgeschrittenen Stadium 2 wissen die Patienten nicht mehr, wo sie sind und welcher Tag ist. Sie erfinden Worte und erkennen selbst bekannte Gesichter nicht mehr.
Stadium 3:
Im Endstadium können Alzheimer-Patienten weder kauen noch schlucken. Sie erkennen niemanden mehr. Das Immunsystem lässt nach – Lungenentzündung und Infektionen kommen häufiger vor – und eine intensive Pflege ist notwendig.
Was versteckt sich hinter dem „programmierten Zelltod“?
Der programmierte Zelltod, auch Apoptose genannt, bezieht sich auf Zellen, die Selbstmord begehen. Normalerweise ist dieser Vorgang für eine gute Funktion des Organismus notwendig, um Zellen zu zerstören, die für den Körper gefährlich sind (zum Beispiel DNA-geschädigte Zellen, die Krebs auslösen könnten).
Während der Apoptose werden Gene aktiviert, die so genannte „Killer-Proteine“ freisetzen. Diese signalisieren den Zellen, mit dem Sterben zu beginnen. Die Identität der Killer-Proteine und ihre Stellung innerhalb der Verkettung von Alzheimerabläufen (Kaskade), die zum Zelltod führen, ist jedoch noch nicht vollständig geklärt. Studien zeigen, dass Nervenzellen im Gehirn von Alzheimer-Patienten durch Apoptose sterben und dass Beta-Amyloid, das im Gehirn von Alzheimer-Patienten in abnormalen Mengen vorkommt, Apoptose verursachen kann.
Wie entsteht Alzheimer?
Auf der Ebene der Nervenzellen zeigen sich zwei Prozesse, die typisch sind für die Alzheimer-Erkrankung:
- In der Nervenzelle lagern sich Tau-Protein-haltige Fibrillene ab und zerstören die Zellstabilität.
- Beta-Amyloid-Ablagerungen (Aß) zwischen den Nervenzellen unterbrechen die Kommunikation.
Nur wenn beides zusammen auftritt – und zwar vorwiegend im Hippocampus – ist es Alzheimer.
Das Tau-Protein ist ein normaler Bestandteil der Zelle. Bei Alzheimerkrankungen konnte festgestellt werden, dass vermehrt durch hyperaktive Enzyme (Proteinkinasen) Phosphatgruppen in das Tau-Protein eingebaut werden, welche innerhalb der Zelle eine Störung von Transportprozessen und eine verminderte Stabilität der Zelle bewirken. Die Folge davon ist ein Absterben der Nervenzelle. Diese Veränderungen werden auch als Alzheimer-Neurofibrillenbündel oder Alzheimer-Degenerationsfibrillen bezeichnet
Zwischen den Nervenzellen entstehen Eiweiß-Plaques, die so genannten Amyloid-Ablagerungen. Amyloid ist ein Spaltprodukt eines größeren Eiweißmoleküls. Wenn sich zwischen den Nervenzellen verstärkt Amyloid-Verklumpungen bilden, unterbrechen diese die Kommunikation der Zellen.
Amyloid-Plaques können sich darüberhinaus auch in den feinen Blutgefäßen des Gehirns ablagern, was zu einer verminderten Sauerstoff- und Energieversorgung der betroffenen Hirnbereiche führt.
Durch die Tau-Fibrillen und die Eiweiß-Plaques kommt es zu einem Rückgang der Verbindungen zwischen den Nervenzellen und schließlich zum Untergang der Nervenzellen selbst. Die Menge der Fibrillen, die sich in den Neuronen findet, korreliert stark mit den Verhaltensstörungen, die man bei den Patienten beobachtet. Die dem Tau-Protein zugrunde liegende Molekular-Pathologie ist jedoch noch nicht vollständig geklärt.
Betroffen von den Amyloid-Ablagerungen ist vor allem der Meynert-Basalkern im Gehirn. Hier wird der wichtige Botenstoff Acetylcholin produziert, der für die Informationsübertragung von einer Nervenzelle zur anderen verantwortlich ist. Da durch die Ablagerungen immer mehr Nervenzellen im Meynertkern absterben, entsteht ein Acetylcholin-Mangel und die Informationsweiterleitung im Gehirn wird behindert. Diese Veränderungen machen sich schon früh im Kurzzeitgedächtnis bemerkbar.
Wenn Beta.Amyloid (Aß) verklumpt, setzt es sich wie ein dünner Film auf die Postsynapsen und aktiviert wahrscheinlich einen Rezeptor, der (zu viel) Kalzium in die Zelle einströmen lässt. Das wiederum bewirkt die Fehlregulation von Tau. Das heißt aber nicht, dass Aß Auslöser der Krankheit sein muss. Zwar führt die Aß-Fehlregulation zur Tau-Fehlregulation, diese dann zum Synapsenverlust und der zum neuronalen Zelltod – aber was für das Verklumpen von Aß verantwortlich ist, konnte bisher nicht geklärt werden.
Mutationen als mögliche Ursache sind unwahrscheinlich, denn diese kommen ja nur in den erblich bedingten, familiären Alzheimer-Fällen vor und diese sind sehr selten. Wissenschaftler vermuten, dass der Vorläufer von Aß, das Zelloberflächen protein APP an der falschen Stelle und zu oft gespalten wird, wodurch Aß entsteht. Das Gen für APP liegt auf Chromosom 21 – daher haben Menschen mit Trisomie 21 ein höheres Risiko, früher an Demenz zu erkranken. Da sie gleich 3mal über das Gen verfügen, wird bei ihnen vermehrt Aß gebildet.
Tau-Klumpen auflösen – ist das die Rettung?
Derzeit arbeiten zahlreiche Forscher weltweit an Wirkstoffen, die die Tau-Aggre¬gate auflösen können. Zwei der Wirkstoffklassen sind tatsächlich in der Lage, die Tau-Knäuel aufzulösen und damit wieder Synapsen wachsen zu lassen: Rhodanine und Phenyl-Thiazolyl-Hydrazide. Im Moment werden sie aber noch nicht am Menschen getestet.
Ist Alzheimer ein Gehirn-Virus?
Amerikanische Wissenschaftler in Harvard und an der Columbia University fanden jetzt heraus, dass sich Alzheimer wie eine Infektion von Nervenzelle zu Nervenzelle ausbreitet. Doch statt Bakterien ist es das Tau-Protein, das sich ausbreitet.
Man könnte also die Degeneration aufhalten, indem man einen Antikörper findet, der Tau blockiert, damit die Weiterreichung von Zelle zu Zelle unterbunden wird. Doch auch diese Behauptung konnte bisher nur in Tierversuchen nachgewiesen werden.
Quellen:
New York Times, 2.2.2012 „Path is found for the Spread of Alzheimer’s“
Astrid Sydow, Eckhard Mandelkow et al.: Tau-induced Defects in Synaptic Plasticity, Learning and Memory are reversible in Transgenic Mice after Switching off the Toxic Tau Mutant. Journal of Neuroscience, 16. Februar 2011