Neue Theorie und vielversprechende Ergebnisse: Kann eisenbindendes Lactoferrin bei der Alzheimerkrankheit helfen?

Dass der Eisenhaushalt mit dem Alzheimergeschehen im Gehirn im Zusammenhang steht, ist schon seit einer Weile bekannt.

Mit Hilfe des eisenbindenden Lactoferrin im Speichel konnten bereits Erkrankte erkannt werden.

Ägyptische Neurologen berichteten nun auch von vielversprechenden Behandlungsergebnissen, die auf einen ganz neuen Ansatzpunkt für eine der möglichen Ursachen für die Zerstörung des Nervengewebes deuten. Weitere Studien werden das Resultat und die Verträglichkeit nun bestätigen müssen.

Eisen ist ein wichtiges Metall in unserem Körper.

Am bekanntesten dürfte seine Aufgabe als Halterung für den Sauerstoff in roten Blutkörperchen sein. Eisen ist aber auch an einer Vielzahl anderer Prozesse im Körper beteiligt.

Nicht nur beim Sauerstofftransport, sondern auch bei der Energiegewinnung in den Mitochondrien, der Herstellung der isolierenden Myelin-Hüllen der Nervenzellen, bei der Produktion neuer DNA im Zellkern, der Herstellung von Botenstoffen des Nervensystems oder im Zellstoffwechsel: Eisen spielt an vielen Stellen eine bedeutende Rolle.

Entsprechend ist Eisen auch in vielen Zellen des zentralen Nervensystems enthalten.

Mit zunehmendem Alter steigt aber der Eisengehalt im Gehirn und im restlichen Körper und wird dann eventuell auch zum Problem.

Je nach Region im Gehirn reichern sich solche Alteisenlager an, eventuell ausgelöst durch entzündliche Prozesse, eine stärkere Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke oder einer allgemeinen Umverteilung des Eisens und veränderter Geschwindigkeit in Anlieferung oder Abtransport.

Eisen: notwendig, aber mit zunehmendem Alter auch ein Problem

Dass der Eisenhaushalt mit dem Krankheitsgeschehen im Gehirn im Zusammenhang steht, ist schon seit einer Weile bekannt.

Sogar eine frühe Diagnose der Alzheimerkrankheit soll mit Hilfe der Eisenmenge möglich sein.

So konnten anhand der Menge der eisenbindenden Substanz Lactoferrin im Speichel Erkrankungsfälle auch in frühen Stadien erkannt werden (Carro et al., 2017 im Fachjournal Alzheimer’s & Dementia: Diagnosis, Assessment & Disease Monitoring erschienen).

Welche Rolle diese Substanz aber genau bei der Alzheimerkrankheit spielt und ob sie vielleicht einen Schutz gegen die Alzheimerdemenz bieten könnte, war bisher nicht klar.

Dazu führten Neurologen nun eine Studie in Kairo (Ägypten) mit Alzheimerpatienten durch, die Lactoferrin erhielten und anschließend für 3 Monate untersucht wurden.

Kann eisenbindendes Lactoferrin bei der Alzheimerkrankheit helfen?

50 Alzheimerpatienten (22 Frauen, 28 Männer) wurden zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt, im durchschnittlichen Alter von 68,25 Jahren (Standardbehandlung) bzw. 71,76 Jahren (Lactoferrin-Gruppe) mit jeweils 11 Frauen und 14 Männern. Zusätzlich wurden 25 gesunde Kontrollteilnehmer (12 Frauen, 13 Männer) in ähnlichem Alter (im Mittel 69,3 Jahre) getestet. Die Teilnehmer der Lactoferrin-Gruppe nahmen drei Monate lang täglich 250 mg Lactoferrin ein.

Die Alzheimerpatienten zeigten im Vergleich zu Gesunden niedrigere Mengen an Acetylcholin (einem wichtigen Nervenbotenstoff) im Blut, weniger Serotonin (5-HT, auch als ‚Glückshormon‘ bekannt) sowie reduzierte Mengen verschiedener entzündungshemmender und antioxidativ wirkender Substanzen.

Außerdem waren auch Veränderungen im p-Akt/PTEN-Pfad im Blut, speziell in den weißen Blutkörperchen (periphere Lymphozyten), zu messen. Dabei handelt es sich um eine Reihe von Prozessen, die bei der Alzheimerkrankheit dereguliert sind. All diese Parameter verbesserten sich aber in der Lactoferrin-Gruppe nach 3 Monaten und glichen sich damit stärker an die Werte der gesunden Kontrollen an.

Entzündungshemmende Substanzen und Nervenbotenstoffe näherten sich mit Lactoferrin an gesunde Werte an

Im Alzheimer-Kontext sind besonders Betaamyloid (Aβ) und Tau-Proteine große Themen: diese Substanzen bilden das im bildgebenden Verfahren sichtbare Krankheitsbild im Gehirn. Betaamyloid lagert sich außerhalb der Nervenzellen in Plaques ab, Tau-Fibrillen dagegen innerhalb der Zellen. Beide schädigen die Zellen und sind so ein wesentlicher Teil der neurodegenerativen Erkrankung.

Beide Substanzen sind bei Erkrankten auch im Blut in deutlich höheren Konzentrationen als bei Gesunden nachweisbar: 6,4-mal mehr Aβ und 12,6-mal mehr Tau lagen bei Erkrankten im Vergleich zu Gesunden vor.

Die Behandlung mit Lactoferrin senkte allerdings messbar die Konzentration dieser Krankheitsmarker nach 3 Monaten Behandlung (Aβ um 52,8 %, Tau um 84,3 %). Gleichzeitig sanken weitere Anzeichen für Stress, oxidativen Stress und Anzeichen für Reaktionen auf solche Stressreize im Körper in der Lactoferrin-Gruppe im Vergleich zu der Patientengruppe, die nur die Standardbehandlung erhielt.

Reduzierung der klassischen Alzheimeranzeichen Betaamyloid und Tau

Die Forscher berichten, dass dies auch mit verbesserter Denkleistung der Patienten einherging. Dazu wurde die geistige Fitness mit den Fragebögen Mini-Mentalstatustest (MMST) und ADAS-Cog (Alzheimer’s Disease Assessment Scale) ermittelt, die sich im Vergleich zur Standardbehandlung um 10,4 % (MMST) und 22,5 % (ADAS-Cog) verbesserten.

Messbare Besserung der Denkleistung nach der Behandlung mit dem Eisenbinder

Die Ergebnisse zeigen damit eine ungewöhnlich vielversprechende Behandlungsoption für die Alzheimerkrankheit auf. Ob Lactoferrin auch gut verträglich ist, welche Dosierung sinnvoll ist und ob die Substanz auch längerfristig bei der Erkrankung helfen kann, wird sich in weiteren Studien herausstellen müssen.

Grundlegend bietet diese Substanz aber womöglich einen ganz neuen Ansatzpunkt für die Behandlung, nämlich an einer der möglichen Ursachen für die folgende Zerstörung des Nervengewebes.

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Original Titel:
A pilot study on the effect of lactoferrin on Alzheimer’s disease pathological sequelae: Impact of the p-Akt/PTEN pathway

Autor:
Mohamed WA, Salama RM, Schaalan MF. A pilot study on the effect of lactoferrin on Alzheimer’s disease pathological sequelae: Impact of the p-Akt/PTEN pathway. Biomed Pharmacother. 2019;111:714-723. doi:10.1016/j.biopha.2018.12.118