Demenzprävention in der Hausarztpraxis: Mögliche Chancen besser nutzen

Zur Woche der Demenz und dem Welt-Alzheimertag am 21. September 2020

In Deutschland leiden schätzungsweise 1,6 Millionen Menschen an einer Demenzerkrankung. Laut der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e. V. Selbsthilfe Demenz könnte sich die Zahl der Betroffenen bis zum Jahr 2050 auf 2,4 bis 2,8 Millionen erhöhen.

Neben neuen Therapieformen liegt die Hoffnung vor allem auf der Prävention möglicher Risikofaktoren, um das Fortschreiten der Erkrankung zumindest zu verlangsamen.

Eine Studie in der Fachzeitschrift „Fortschritte der Neurologie Psychiatrie“ (Georg Thieme Verlag, Stuttgart. 2020) hat untersucht, welchen Beitrag Hausärzte hier leisten könnten, wenn sie im Rahmen von Gesundheitsuntersuchungen (GU) mögliche Risikopatienten umfassender als bisher beraten und behandeln.

Eine Demenz galt lange Zeit als schicksalhafte Folge von Hirnerkrankungen, mit dem Morbus Alzheimer als häufigster Ursache. In den letzten Jahren konnten Mediziner jedoch einen Zusammenhang zwischen bestimmten Erkrankungen und einer späteren Demenz zeigen. Dazu zählen bei älteren Erwachsenen ein zu hoher Blutdruck, eine Hörstörung und Fettleibigkeit. Im Seniorenalter erhöhen auch ein Diabetes mellitus und Depressionen das Demenzrisiko.

Viele Patienten mit diesen Erkrankungen werden durch ihren Hausarzt versorgt.

Nach Ansicht von Professor Dr. rer. med. Karel Kostev (IQVIA) und Dr. med. Dr. phil. Jens Bohlken spielt die hausärztliche Versorgung deshalb auch eine wichtige Rolle in der Demenzprävention. Denn eine umfassende medizinische Betreuung könne Demenzerkrankungen hinauszögern, sind die Experten überzeugt.

Erstautor Bohlken verweist unter anderem auf Forschungsergebnisse aus Finnland.

Dort habe die sogenannte FINGER-Studie gezeigt, dass sich der Rückgang der kognitiven Leistungen durch gezielte Maßnahmen, wie eine Ernährungsberatung, ein altersgemäßes Fitness- und regelmäßiges Gedächtnistraining, verlangsamen lasse.

Nach Ansicht Bohlkens könnte in Deutschland eine solche Demenzprävention im Rahmen der sogenannten Gesundheitsuntersuchungen (GU) erfolgen, die bereits von den Krankenkassen vergütet werden.

Gemeinsam mit weiteren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern hat er daher zunächst anhand von Versichertendaten untersucht, wie hoch die Anzahl von Risikopatienten in der hausärztlichen Versorgung ist: Von den rund 2,4 Millionen hausärztlich versorgten Patienten wiesen 191.883 Patienten im Alter von 45 bis 65 Jahren eine Hypertonie auf, 23.308 waren fettleibig, 5.059 hatten Hörstörungen.

Unter den Senioren im Alter von über 65 Jahren hatten 120.200 einen Diabetes und 43.233 litten unter einer Depression. In Deutschland gibt es demnach viele Menschen, die von einer Demenzprävention im Rahmen der hausärztlichen Behandlung profitieren könnten.

Im nächsten Schritt ermittelten die Experten, wie häufig die GU in Deutschland bei Menschen mit einem erhöhten Demenzrisiko bisher durchgeführt wird.

Die Analyse ergab, dass das nur bei etwa 14 Prozent aller Risikopatienten derzeit der Fall ist. In der Altersgruppe der 45- bis 65-Jährigen erhielten rund 26 Prozent der Patienten mit einer Hypertonie eine GU, bei solchen mit Adipositas waren es knapp 35 Prozent und mit Hörstörung etwa 30 Prozent.

In der Gruppe der über 65-Jährigen wurde nur bei einem Viertel der Diabetespatienten und der Patienten mit Depressionen eine GU abgerechnet.

„Trotz ermutigender Ergebnisse großer randomisierter Studien zur Demenzprävention bleiben derzeit viele Fragen zur Umsetzung in der Praxis offen“, erklären Bohlken und Ko-Autoren abschließend. Eine Implementierung demenzpräventiver Interventionen in den Hausarztpraxen im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung könnte ein möglicher Weg sein.

Die vorliegenden Zahlen zeigten jedoch, dass diese Chance bisher nur zögerlich wahrgenommen wird. Über die Ursachen können die Forscher nur Vermutungen anstellen. So zeigte eine Studie, dass der subjektiv erlebte Zeit-Stress der Hausärzte bei Gesundheitsuntersuchungen besonders hoch sei.

Positiv bewerten die Forscher jedoch die steigende Akzeptanz gegenüber demenzpräventiven Ansätzen unter Ärzten und auch der Bevölkerung: So zeigten Hausärzten im Rahmen einer Umfrage in Mecklenburg-Vorpommern ein hohes Interesse an der Früherkennung von Demenzen. Und auch in der Bevölkerung sei angekommen, dass einer Demenzerkrankung vorgebeugt werden könne.

In einer Umfrage gab jeder zweite an, dass eine Prävention grundsätzlich möglich sei. Als Möglichkeiten wurden Gedächtnistraining, geistige Betätigung, aktives Leben, Sport und Bewegung genannt.

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